Ein Steinhaus mit großen Augen und kleinem Mund guckt die Betrachter an und erzählt seine Geschichte vom Anfang des 17. Jahrhunderts in Fürth: "Juden dürfen nur im Bamberger und Ansbacher Gebiet wohnen und müssen dafür hohe Steuern zahlen", steht in einer Sprechblase. Das Gebäude guckt freundlich auf seine Nachbarn und die Kutschen, die auf der Straße vorbeiziehen. Heute, rund 400 Jahre später, ist das kleine Haus das Jüdische Museum Franken. Seine Geschichte wird im Kunstunterricht von den Elftklässlerinnen Jule und Joana in eine Graphic Novel, eine Art des Comics, verwandelt.
"Ich konzentriere mich auf die ersten 100 Jahre des Hauses", erzählt Jule, die gerade die Pferde koloriert, "und auf die damaligen Bewohner". In ihren zwölf Einzelbildern geht es um den Dreißigjährigen Krieg und um Salomon Fromm, Vorsteher der jüdischen Gemeinde, der das Haus 1651 erwarb. In Joanas Bildern erlebt das Haus den Zweiten Weltkrieg, den Wiederaufbau und den Wandel zu dem, was es heute ist. Sie wird dafür knalligere Farben verwenden. "Wir wollten dem Haus einen Charakter geben", sagt Jule. So könnten sie auch die gedachte Gefühlswelt des Gebäudes beschreiben. Dass sie als einzige in der Klasse nicht die Geschichte einer Person erzählen, sondern die eines Hauses, war eine Herausforderung, findet Joana.
Die zwei Graphic Novels sind Teil eines Projekts zwischen dem Jüdischen Museum und dem benachbarten Heinrich-Schliemann-Gymnasium. Kunstlehrerin Mara Lea Hohn hatte angesichts des steigenden Antisemitismus auch an Schulen schon im vergangenen Schuljahr die Idee, künstlerisch an jüdischen Biografien zu arbeiten. "Graphic Novels lassen viel Lebendigkeit zu und sind auch für junge Menschen nahbar. Die Stärke ist, dass es von Jugendlichen für Jugendliche ist." Über die biografische Arbeit werde das sonst eher trockene historische Thema Nationalsozialismus mit seinen Folgen greifbarer. Da das Museum sich in der Arbeit mit Schulklassen sehr engagiert, stand schnell eine Kooperation.
Bei einer Führung durch das Museum Anfang des Jahres wurden den Schülerinnen und Schülern der 11. Klasse verschiedene Biografien von Menschen vorgestellt, deren Geschichten man dort kennenlernen kann. Es folgten eine intensive Recherche, die Auseinandersetzung mit der Ausstellungskonzeption und ein Herantasten an das Thema Comiczeichnen. "Sie haben gelernt, worauf es bei der Komposition von Bildern ankommt, welche Erzählrhythmen entstehen können. Es war mir wichtig, dass sie ihre eigene visuelle Sprache finden", sagt Hohn. Ihr Ziel sei es, dass die Jugendlichen selbstbewusst und stolz aus dem Projekt kommen, weil ihre Werke ausgestellt wurden.
Alex hat sich für die Lebensgeschichte von Ruth Weiss entschieden, weil sie viel erlebt hat. "In Afrika ist sie sehr bekannt dafür, dass sie gegen die Apartheid gekämpft hat." Als Kind war seine Protagonistin mit ihrer Familie aus Nazi-Deutschland nach Südafrika geflohen. "Ich habe fast so etwas wie ein Fotoalbum gezeichnet", erzählt der 16-Jährige und malt einen Sessel in seinem Bild in gedecktem Orange aus.
"Mit Gedankenblasen kann man in ihren Kopf hineinschauen und erfährt, was Ruth in der Situation empfunden hat." Sich bei den vielen Details aus dem Leben der Frau, die am 26. Juli hundert Jahre alt geworden ist, für einen roten Faden zu entscheiden, habe am längsten gedauert, "aber es hat total Spaß gemacht, sich dabei auszutoben". Auch von Ruth Weiss selbst könne man viel mitnehmen: "Sie ist schon ein Vorbild."
Die fertigen Graphic Novels sind ab dem 14. September in einer Sonderausstellung im Jüdischen Museum Franken in Fürth zu sehen.