Getty Images/iStockphoto/vicnt
29. August, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Beckenrand Sheriff"
Die deutsche Sprache bietet eine erfrischende Vielzahl an einfallsreichen Sprachbildern, mit denen sich ein Mitmensch abwerten lässt. Eins der schönsten dieser Kleinodien ist der Korinthenkacker.

Synonyme wie Pedant oder Kleinlichkeitskrämer treffen nur bedingt, was diese Beleidigung zum Ausdruck bringen soll: Korinthenkacker sind Typen, die niemand mag, weil sie alles ganz genau nehmen und sich gern wichtig machen. Es ist also recht mutig, eine derartige Person zur Hauptfigur einer Geschichte zu machen. Andererseits lebt die Handlung nun natürlich nicht zuletzt von der Frage, ob es plausibel gelingt, aus dem Antihelden einen Sympathieträger zu machen.

"Beckenrand Sheriff" haben Marcus Pfeiffer (Buch) und Marcus H. Rosenmüller (Regie) ihre Komödie über einen mürrischen Bademeister, pardon: Schwimmmeister, genannt und somit ein erstes positives  Signal gesetzt, schließlich ist der Sheriff im Western eine Identifikationsfigur, die es zur Not ganz allein mit allen Bösewichtern aufnimmt. Genauso interpretiert Karl Kruse seine Funktion: Das Freibad des oberbayerischen Provinznests ist sein Ein und Alles, und vermutlich wäre sein Glück vollkommen, wenn da nicht die Badegäste wären. Milan Peschel verkörpert diesen Mann, der vermutlich schon mürrisch auf die Welt gekommen ist, unverwechselbar und unnachahmlich. Eines Tages droht seinem Refugium jedoch eine Gefahr, die mit einem schlichten Federstrich alles zunichte machen könnte: Da die nötigen Renovierungen mehr Geld verschlingen würden, als die Gemeinde ausgeben kann, will die Bürgermeisterin (Gisela Schneeberger) das Bad schließen. Nun rächt sich Kruses Naturell: Weil er immer alle vor den Kopf gestoßen hat, ist niemand bereit, seine Petition für den Erhalt des Freibads zu unterschreiben. 

Dies ist jedoch nur eine Seite der Geschichte, denn "Beckenrand Sheriff" ist außerdem ein Freundschaftsfilm und eine romantische Komödie: Ein Asylbewerber aus Nigeria wird Kruses neuer Gehilfe; dabei leidet Sali Amadi (Dimitri Abold) seit der lebensgefährlichen Flucht übers Mittelmeer unter einem Wassertrauma. Durch eine glückliche Fügung erweist er sich jedoch als Retter in der Not, zwar nicht fürs Freibad, aber für das von der Trainerin im Tonfall eines Unteroffiziers gedrillte Wasserballteam: Die Mannschaft braucht dringend einen Torwart, Sali verfügt über famose Reflexe. Dass er nicht schwimmen kann, nutzt Kruse für einen Deal: Wenn das Team ihn beim Kampf um den Erhalt des Freibads unterstützt, bringt er dem jungen Mann Schwimmen bei. Außerdem hat’s ihm Trainerin Silke (Johanna Wokalek) ganz erheblich angetan. Schließlich gibt Sali ihm den nötigen Schubs in Richtung Glück, und siehe da: Die Frau ist exakt vom gleichen Schlag wie der Schwimmmeister.

Die Darbietungen sind ausnahmslos eine große Freude, die Dialoge immer wieder witzig und der Einfallsreichtum der beiden kreativen Köpfe so überbordend, dass sich Rosenmüller den Luxus leisten kann, einige Slapstickszenen bloß im Hintergrund zu inszenieren. Für viel Heiterkeit sorgen zudem Nebenfiguren wie ein promovierter Naturschützer, dem die Bürgermeisterin attestiert, er sei "lästig wie ein Borkenkäfer". Zumindest in dieser Hinsicht dürfte Kruse ihr zustimmen, denn Dr. Rieger (Rick Kavanian) sorgt regelmäßig für einen Stau am Sprungturm, weil er sich nicht zu springen traut. Ausgerechnet dieser Mann trägt am Ende ganz erheblich zur Rettung des Schwimmbads bei, ebenso wie Sali. Pfeiffer und Rosenmüller haben dem Film das Tucholsky-Motto "Freundschaft, das ist wie Heimat" mitgegeben, und tatsächlich entwickeln sich einige völlig unerwartete Allianzen. 

Wenig überraschend ist dagegen schon allein aufgrund des Anagramms die Romanze Salis mit Lisa (Sarah Mahita): Die junge Frau galt als große Schwimmhoffnung des Dorfes, bis ihre Karriere abrupt geknickt wurde. Seither widersetzt sie sich dem Trainingsverbot ihres Erzeugers und zieht ihre Schmetterlingsbahnen, wenn alle anderen das Freibad verlassen haben. Lisas Vater (Sebastian Bezzel) wird ohnehin mehr und mehr zum Gegenspieler: Der Bauunternehmer hat längst seine Claims abgesteckt, um auf dem Gelände eine neue Wohnsiedlung zu errichten. Nicht nur die originellen Nebenfiguren, auch Schwenks und Schnitte sorgen immer wieder für Überraschungen. Die Musik (Andrej Melita) verleiht dem Film die passende Atmosphäre. Rosenmüller ist einst für sein Debüt "Wer früher stirbt ist länger tot" (2006) vielfach ausgezeichnet worden; diesmal gab’s den Bayerischen Filmpreis für Johanna Wokalek als beste Darstellerin.