Bachstraße in Berlin
Hilfswerk-Siedlung GmbH/ Evangelisches Wohnungsunternehmen in Berlin
Kirchliche Wohnungsbauunternehmen bieten etwa in der Hauptstadt mit ihrer Hilfswerk-Siedlung HWS erschwinglichen Wohnraum, wie hier an der Bachstraße in Berlin.
Kirchliche Vermieter
Luxus-Segment finanziert sozialen Neubau
Die Wohnungsnot in Großstädten ist groß und der Geldbeutel oft zu klein, um sich teure Mieten oder gar Wohneigentum leisten zu können. Da könnte man doch mal bei den Kirchen nachfragen, ob die was haben. Und in der Tat. Die evangelischen Landeskirchen und katholischen Bistümer haben ihre eigenen Wohnungsbauunternehmen.

Die Kirchen verwalten bundesweit zusammen fast 100.000 Wohneinheiten, worunter kleinere und größere Mietwohnungen bis zu Einfamilienhäuser zählen. Beispiel Berlin. Die Evangelischen haben in der Hauptstadt mit ihrer Hilfswerk-Siedlung HWS bei mehr als 7600 Wohneinheiten das Sagen, die Katholiken mit der Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft ASW bei rund 2000. 

Und zunächst die gute Nachricht, zumindest dem Berliner Mieterverein sind die christlichen Wohnungsbauunternehmen bislang, anders als andere Immobilien-Anbieter, nicht unangenehm aufgefallen. Es gebe keine nennenswerten Konflikte zwischen Mietern und Vermietern. Die Mieten seien zudem moderat.

"Das Hilfswerk hat eine durchschnittliche Miethöhe von 7,37 Euro, das ist so ziemlich der Berliner Durchschnitt. Bei der Aachener ist es ähnlich. Da ist die durchschnittliche Miethöhe 7,49 Euro pro Quadratmeter", sagt Ulrike Hamann-Onnertz, Geschäftsführerin beim Berliner Mieterverein.

Die kirchlichen Siedlungswerke wurden nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet, um der Wohnungsnot mit sozial verantwortlichen Neubauten rasch zu begegnen. Bis heute besteht dieser christliche Anspruch, gerade ärmeren Bevölkerungsschichten günstigen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. In Berlin ist bis heute die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz größter Gesellschafter der evangelischen Hilfswerk-Siedlung HWS.

Die katholische Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft ASW ist ein Immobilienunternehmen der Bistümer Köln, Paderborn, Trier, Münster, Essen und Aachen. Doch auch kirchliche Vermieter müssen kalkulieren und unterliegen den Gesetzen des Bau- und Wohnungsmarktes. Zu verschenken haben sie nichts. Aber können sie dennoch gute oder gar bessere Vermieter sein? Haben sie gar eigene Ideen zur Bekämpfung der Wohnungsnot?

"Berliner Mischung" aus teuer und erschwinglich

Zumindest agieren sie auf den ersten Blick überraschend und scheinbar widersprüchlich. Denn die evangelische HWS etwa kann auch teuer. Zum Beispiel vor acht Jahren in Berlin-Tiergarten an der Bachstraße auf dem Gelände des ehemaligen Konsistoriums der evangelischen Kirche, das abgerissen wurde. Dann wurde neu gebaut: Zur Spreeseite hin luxuriös, zur Straßenseite hin erschwinglich. 

Jörn von der Lieth, Geschäftsführer der evangelischen Hilfswerk-Siedlung, nennt das bis heute die "Berliner Mischung". Das Luxus-Segment soll und muss den sozialen Neubau querfinanzieren: "Das Konzept ist super aufgegangen. Die Wohnungen waren schnell weg. Das preisgünstige Wohnen gibt es da immer noch und wird es auch dauerhaft geben."

Die HWS achte aber darauf, dass niemand finanziell überfordert werde und bietet sogar kostenlose Mietschuldnerberatung an. Das preisgünstige Wohnen werde auch durch den Grundsatz gesichert: Nur ein Zimmer pro Kopf. Also eine dreiköpfige WG bekommt eine Dreizimmerwohnung, eine vierköpfige Familie eine Vierzimmerwohnung.   

"Das ist die Grundidee: Unsere Wohnungen sind sehr kompakt, sehr klug durch die Architekten gebaut. Dadurch ist die Gesamtmiete, die man hat, immer günstiger als bei anderen Leuten, wo die Zweizimmerwohnung etwa 70 Quadratmeter hat. Bei uns hat sie 40-45 Quadratmeter und ist dadurch gut anmietbar. Und sie ist barrierearm und sie ist ökologisch, weil man bei einer kleinen Wohnung weniger heizen muss", sagt von der Lieth.

Auf das Beispiel eines evangelischen Posaunenchorbläsers angesprochen, der etwa seine Tuba und weitere Instrumente unterbringen muss, verweist von der Lieth auf den allgemeinen Berliner Wohnungsmarkt. Seine HWS jedenfalls bleibe bei ihren Vermietungsgrundsätzen.

Und es gibt weitere Besonderheiten. Die katholische Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft ASW bietet etwa über eine ihrer Töchter auch Ladenlokale in 1a-Einzelhandelslage an. Das wurde in der Presse kritisiert, sehe es doch wenig katholisch aus, wenn man Luxusgeschäfte auch noch befördere, statt den sozialen Wohnungsbau. Doch ASW-Geschäftsführerin Marion Sett hält genau das für gut: "Für uns ist das eine Quelle, die uns über Ausschüttung auch hier die Kraft gibt, wieder in Sozialbestände zu investieren. Und insofern sehe ich das überhaupt nicht als Widerspruch."

Eigenheimbildung ein wichtiges Anliegen 

Auch dass Gewinne im gewissen Umfang an die Gesellschafter, nämlich die Bistümer Köln, Paderborn, Trier, Münster, Essen und Aachen gehen, statt zu 100 Prozent in den sozialen Wohnungsbau zu fließen, sei so in Ordnung. "Ein angemessener geringer Anteil geht als Ausschüttung an unsere Gesellschafter. Der Großteil verbleibt im Unternehmen und wird wieder reinvestiert in die Bestände oder den Neubau", sagt die ASW-Geschäftsführerin. 

Dass die Bistümer bei sinkenden Kirchensteuereinahmen künftig mehr Rendite für sich selbst einfordern, diese Gefahr bestehe derzeit nicht, heißt es aus der Geschäftsstelle in Köln. Im Magazin des Berliner Mietervereins wurde im September letzten Jahres zudem kritisch angemerkt, dass die Kirchen trotz ihres sozialen Auftrages auch die Eigenheimbildung vorantreiben. Aber auch das sei gut katholisch, sagt ASW-Geschäftsführerin Marion Sett: "Die katholische Kirche, da ist die Familie die kleinste Zelle der Gesellschaft. Natürlich geht es der Kirche darum, dass die Familie als solche die Möglichkeit hat, einen Wohnraum zu nutzen. Insofern ist das Thema Eigenheimbildung ein ganz wichtiges Anliegen."

Auch HSW-Geschäftsführer Jörn von der Lieth hält die Bildung von Wohneigentum für ein gut christliches Unterfangen: "Als die katholischen und evangelischen Bischöfe in den 1950er Jahren Wohnungsbaugesellschaften gegründet haben, haben sie gesagt, auch sozial verantwortliches Eigentum gehört dazu. Deswegen hatten auch wir immer eine Eigentums-Sparte."

Von den Forderungen einer Berliner Bürgerinitiative, große Wohnungsunternehmen zu vergesellschaften, um bezahlbaren Wohnraum zu sichern, hält er nichts. Dadurch werde kein Quadratmeter neuer Wohnraum entstehen, so von der Lieth. Vielmehr brauche es eine größere öffentliche Förderung des Neubaus mit mehr Planungssicherheit. Und Lösungen, die manchem Berliner nicht schmecken dürften: "Wenn man sozial denkt, dann sollte man überall dort bauen, wo noch Platz ist. Und dazu gehört natürlich auch das Tempelhofer Feld. Wir haben kein Freiflächenproblem. Dieses Wohnungsproblem können wir mit einer Randbebauung sehr gut lösen."

Darüber sei man als kirchlicher Vermieter aber auch mit Mieterverbänden in der Diskussion. Das Berliner Erzbistum ist bei alldem nicht mehr dabei. Das eigene Immobilienunternehmen Petruswerk wurde 2003 an einen privaten Investor verkauft, der seitdem teure Mieten verlangt.

Da hätte sich der Berliner Mieterverein mehr soziale Verantwortung gewünscht, sagt deren Geschäftsführerin Ulrike Hamann-Onnertz: "Das ist schon sehr bitter, dass diese Wohnungen verkauft wurden an eine kommerzielle Gruppe, die jetzt zu sehr sehr hohen Preisen neu vermietet. Da ist schon die Bitte: Wenn Wohnraum privatisiert oder verkauft wird, sich auch gemeinwohlorientierte Käuferinnen und Käufer zu suchen. Im Sinne der Mieterinnen und Mieter würde ich diese Bitte in Richtung kirchliche Vermieter aussprechen."