Familie mit Chanukka-Kerzenständer und Buch in der Hand
Kseniachernaya/Pexels
Anlässlich des Europäischen Tages jüdischer Kultur am 1. September stellt das Evangelische Literaturportal drei Bücher zum Thema jüdischer Identität vor.
Blick in die Literatur: Buchtipps
Bücher über Jüdische Identität und Kultur
Der 1. September ist der Europäische Tag jüdischer Kultur. Grund genug, jüdische Kultur und Identität in Deutschland und anderswo zu beleuchten. Gerade jetzt, wo der Antisemitismus vielerorts wieder aufflammt. Was bedeutet Jüdisch sein heute und gibt es überhaupt eine jüdische Identität? Das Evangelische Literaturportal stellt drei Bücher vor, die sich mit jüdischem Leben in Deutschland auseinandersetzen.

Gewässer im Ziplock

Aktuelle Familiengeschichte einer deutsch-jüdischen Familie, die zwischen Berlin, Chicago und Jerusalem spielt.

Das Ganze wird aus der Perspektive der 15-jährigen Margarita und ihres alleinerziehenden Vaters Avi erzählt. Die Reise Margaritas zu den Großeltern in Chicago und dann zur Mutter in Jerusalem führt zu einigen Verwicklungen. Der Vater bleibt in Berlin, muss aber dann nach Jerusalem nachreisen, zwischenzeitlich werden seine Trennungserfahrungen von Margaritas Mutter und eine neue Beziehung beleuchtet. Die Mutterperspektive spielt dabei eine Nebenrolle, vielleicht ist das Absicht, die Mutter vergisst beispielsweise ihre Tochter am Flughafen abzuholen, was zu einigen Abenteuern führt u.a. macht Margarita ihre ersten sexuellen Erfahrungen. Die Tochter lebt ihre Pubertät aus, während der Vater stark von seiner Religion geprägt ist. Weitere Nebenfiguren wie der kurzzeitige Freund Margaritas werden interessant beschrieben. Das ganze Buch ist gelungen konstruiert, die beiden Sichtweisen ergänzen sich. Weitere Themen sind u.a. die vom Zerfall bedrohte deutsch-jüdische Familie, aber auch das schwierige Verhältnis der jüdischen Community zur deutschen Mehrheitsgesellschaft.

Literarisch gelungener Text, gut erzählt, ein herausragender Roman. Martin Ertz-Schander

Vowinckel, Dana: Gewässer im Ziplock. Roman. Dana Vowinckel. Berlin: Suhrkamp Nova 2023. 362 S. ; 22 cm. 
ISBN 978-3- 518-47360-3, geb.: 23,00 €

Alte Zachen - Benni und seine jüdische Großmutter gehen einkaufen

Während Benni und Oma durch die Stadt gehen, werden Erinnerungen lebendig.

Benni geht mit seiner jüdischen Großmutter in New York einkaufen. In die Handlung brechen die Erinnerungen der Großmutter herein an ihr früheres Leben, an Freunde in der Jugend, an die Schulzeit in Deutschland und die Verbote, die die Nazis Juden auferlegten. Bennis "Bubbe" erinnert sich an das Kennenlernen mit ihrem Mann Joe, mittlerweile im amerikanischen Exil, an Freunde und Feiertage, an eine erste Liebe. Gleichzeitig ist die alte Dame in der Jetztzeit sehr direkt, was sie unhöflich und unfreundlich erscheinen lässt. Sie wird langsam "farmisht" – verwirrt. Der Enkel geht dabei liebevoll mit ihr um.

Die vordergründig einfache Geschichte zeichnet in zahlreichen Details ein differenziertes Bild einer Frau mit einer bewegten Lebensgeschichte. Die Farbgestaltung, grauweiße Gegenwart und zart-farbige Erinnerungen, sowie die sparsam eingefügten Sprechblasen prägen den leisen, aber sehr eindringlichen Charakter der Graphic Novel. Ein Glossar jüdischer Begriffe ist hilfreich.
Die inhaltsreiche Geschichte lebt von den detailreichen Illustrationen und ist auf vielen Ebenen zu lesen. Auch möglich als Zugang zum Thema jüdische Identität für Kinder ab 8 Jahren. Birgit Schönfeld

Alte Zachen - Benni und seine jüdische Großmutter gehen einkaufen. Ziggy Hanaor u. Benjamin Phillips. Dt. von Nicola von Velsen u. Anna Warnow. Berlin: Hatje Cantz 2023. 25 cm. 
ISBN 978-3-7757-5391-3, geb.: 22,00 €

Judenfetisch

Biographische Auseinandersetzung mit der jüdischen Identität.

Die Reise mit Deborah Feldman geht weiter. Nachdem sie in ihren Büchern "Unorthodox" und "Überbitten" von ihrem Aufwachsen und Ausbruch aus der ultraorthodoxen Satmarer Gemeinschaft in Williamsburg/New York erzählte, geht sie nun in "Judenfetisch", ihrer jüdischen Herkunft in der Diaspora nach und fragt sich inwiefern diese/ihre jüdische Identität tatsächlich existiert.

Feldman erzählt wie das Leben, nach dem Weggang aus Amerika, in der mehrheitlich arabischen Neuköllner Nachbarschaft ihre Wahrnehmung für das eigene Aufwachsen in einer altertümlichen Gesellschaft sensibilisierte und die Frage nach ihrem authentischen Jüdischsein aufwarf. In Israel geht sie ihrem Suchen nach, erinnert sich an ihr selbst erlebtes Judentum und fühlt durch den kritischen Austausch mit anderen jüdischen Identitäten, in ein jüdisches Selbstverständnis hinein. 

Eloquent zeigt sie im Fortgang ihrer Beobachtungen die möglichen Folgen der verschiedenen Sichten auf das Judentum für unsere Gesellschaft auf. 
Es könnte besonders von Interesse für Lesende sein, die sich mit dem Judentum im Speziellen und der gesellschaftlichen Relevanz von Religion im Allgemeinen beschäftige. Jennifer-Christin Hein

Feldman, Deborah: Judenfetisch. Deborah Feldman. München: Luchterhand 2023. 268 S. ; 21 cm. 
ISBN 978-3-630-87751-8, geb.: 24,00 €