Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht zwei Kartons mit Kleiderspenden im Hof von Margarete Wommer stehen. Einheimische haben die Sachen vorbeigebracht, weil sie wissen, dass die 72-Jährige aus Großköllnbach sich um die Saisonarbeitskräfte in der Region kümmert. Seit 18 Jahren helfe sie, wo sie kann, "ohne viel darüber nachzudenken", sagt Wommer. Sie weiß, was Bedürftigkeit bedeutet: "Ich komme aus dem Land und weiß, wie die Leute da leben und wie gequält sie sind."
Tausende Rumän:innen arbeiten Monat für Monat auf den Feldern in Niederbayern. Auf den Äckern wird von März bis Oktober fast nur Rumänisch gesprochen. Sie werden Saisonarbeitskräfte genannt, weil viele von ihnen zwei oder drei Monate in Deutschland arbeiten, bevor sie wieder heimkehren. Aber gleich im Anschluss kommt schon der nächste Schwung nach Niederbayern. Es sei ein Kommen und Gehen, sagt Wommer.
Die Rumänen sind hier, um Geld für ein besseres Leben zu verdienen. Im Schnitt bekommen die meisten um die 1.000 Euro im Monat raus, sagt Eduard Harnisch, Vorsitzender von Integro Mittelfranken, einem Unterstützerverein für Saisonarbeitskräfte. Sie wollten vielleicht ihr Dach reparieren, ein Badezimmer innerhalb des Hauses bauen oder eine Heizung installieren, erläutert er. Viele sagen, wenn sie fertig sind, sie würden nicht wieder zur Erntearbeit nach Deutschland kommen, aber dann kehren sie doch jedes Jahr zurück.
Der Grund ist einfach: In Rumänien verdienen sie in der Landwirtschaft gerade mal 300 bis 600 Euro im Monat, das hänge davon ab, in welcher Region Rumäniens sie lebten, sagt Harnisch. "Zu wenig, um eine Familie zu versorgen."
Derzeit kümmert sich Wommer um etwa 60 rumänische Frauen, die auf einem Bauernhof in Großköllnbach untergebracht und bei der Gurkenernte eingesetzt sind. Die Rumäniendeutsche spricht ihre Sprache, weshalb die Saisonarbeiterinnen sich vertrauensvoll an sie wenden, wenn sie Fragen haben oder es Probleme gibt.
Frauen liegen auf "Gurkenflieger" beim Ernten
Wommer ist in Rumänien aufgewachsen und hat 40 Jahre dort gelebt. Im Oktober 1990 ist sie mit ihrer Familie nach Deutschland gekommen. Als der damalige rumänische Diktator Nicolae Ceausescu (1918-1989) die deutschsprachige Bevölkerung mehr und mehr unterdrückte, beschloss ihre Familie auszuwandern. Sobald nach seinem Tod die Möglichkeit bestand, das Land zu verlassen, kamen viele nach Deutschland. Wommers Familie ließ sich in Großköllnbach nieder.
Zurzeit ist die Gurkenernte wieder voll im Gang. Dabei werden fast nur Frauen eingesetzt. Sie liegen auf einem sogenannten Gurkenflieger und pflücken mit den Händen und dem Kopf nach unten die Gurken. Unter sich haben sie eine Schaumstoffmatte und einen Gummireifen liegen, "damit ihnen die Brust nicht gedrückt wird", erläutert Wommer. Die Frauen erzählten ihr, dass sie die Arbeit am Anfang als körperlich anstrengend empfunden hätten, "bis sie sich gewöhnt haben".
Die Arbeit sei hart, aber die Bedingungen für Erntehelfer seien insgesamt besser geworden, berichtet Wommer, die auch zwölf Jahre Kirchenvorsteherin in Landau an der Isar war. Jede Woche hätten die Erntehelfer einen Tag frei, um sich zu erholen oder einkaufen zu gehen. Der Bauer leihe ihnen sogar sein Auto. Bei Hitze bekämen sie zu trinken. Und wenn es am Tag zu heiß werde für die Feldarbeit, werde in den Abendstunden weitergearbeitet. Bei Krankheit würden sie zum Arzt gefahren.
Diese Verbesserungen sind vielerorts dem politischen Druck zu verdanken. Es zeigt sich aber auch, dass die bayerische Ernte mit der Armut der Rumänen finanziert ist: Die Landwirte sind auf die Saisonarbeitskräfte angewiesen. Ohne ihre Hilfe wäre die Ernte nicht zu stemmen. Nach Erhebungen des Bayerischen Bauernverbands (BBV) waren 2023 in der bayerischen Landwirtschaft etwa 40.200 Saisonarbeitskräfte beschäftigt. Doch es dürften weit mehr sein. Zu den wirklichen Zahlen gebe es nur "begrenzte Informationen", so ein BBV-Sprecher. Die Erntehelfer pflückten Erdbeeren, stechen Spargel, ernten Beerenobst, Frischgemüse, Zuckerrüben, Hopfen, Wein und Äpfel.
Während der Erntezeit verzichten viele Rumäninnen auf ihre Familien und "vor allem auf ihre Kinder. Die müssen sie weinend bei Tanten und Omas zurücklassen", sagt Wommer. Manchmal findet sie in ihren Schachteln auch Spielzeug, das die Rumäninnen gerne mit nach Hause nehmen, um es ihren Kindern zu geben. Dann freue auch sie sich. Ihren Einsatz für die Arbeitsmigranten werde sie fortsetzen, solange es geht: "Das ist für mich selbstverständlich, ich habe es für meine Seele gemacht."