Es gibt Menschen, die von Natur aus vorsichtig sind. So ein Typ ist der Hobbysegler und Regensburger Theologe Jörg Breu nicht. "Ich teste gerne meine Grenzen aus", sagt der 58-Jährige. Beim Segeln bedeutet das, dass er lieber mehr Tuch setzt als zu wenig. "Mir macht es am meisten Spaß, wenn die Reling durch das Wasser pflügt", sagt er mit einem Schmunzeln. Das Boot habe dann ordentlich Schräglage. Geradestehen ist da nicht mehr möglich.
Breu ist der Chef von etwa 60 Pfarrerinnen und Pfarrern im Dekanatsbezirk Regensburg. Dort leben etwa 64.000 evangelische Christinnen und Christen. Mit Blick auf die Herausforderungen, vor denen die Kirche steht, ist seine Verantwortung eher größer geworden: Wie Kirche morgen aussieht, entscheide sich heute. Vom Kirchenpersonal verlange das viel Stehvermögen und Entscheidungsfreude.
Vielleicht ist Breu beim Segeln deshalb so risikofreudig, weil er in seinem restlichen Leben so vernünftig sein muss. Er kompensiert das mit der Urgewalt des Meeres. "Wenn ich auf dem Meer bin, bedeutet das Freiheit und Leichtigkeit", erläutert er. Viele Menschen haben Angst auf dem Wasser, er nicht. "Das Wasser ist für mich ein Sehnsuchtsort, den ich so weder in der Oberpfalz noch in Regensburg finden kann."
1.350 Seemeilen von Bremerhaven nach Reykjavik
Breu treibt es jedes Jahr mindestens einmal raus aufs weite Meer zum Segeln. Erst vor Kurzem ist er wieder auf einem Segeltörn gewesen. 23 Tage lang schipperte er mit einem Profi-Skipper und vier weiteren Seglern an Bord der "Polaris" durch die Nordsee und den Nordatlantik. Die Tour führte 1.350 Seemeilen von Bremerhaven über Helgoland, Norwegen, die Shetlands und Färöer nach Island und von dort weiter zu den Westmännerinseln bis nach Reykjavik.
Mit großer Akribie und Vorfreude gehe Breu die Planung und technischen Vorbereitungen an, schildert seine Frau, Dekanin Veronika Zieske, die früher mitgesegelt ist. Bis zur letzten Minute sei dabei die Anspannung hoch. "Er kennt die Crew nicht. Wird man mit den Leuten gut unterwegs sein?", das sei eine der Fragen, die ihn dabei beschäftigen, sagt Zieske. Wenn ihr Mann dann aber an Bord sei, "ist er von der ersten Minute an wie in einer anderen Welt". Eine Welt, die ihn in jeglicher Beziehung intensiv fordert. "Eine tolle Methode der Entspannung, raus aus der Arbeitswelt und rein in einen anderen Film."
Verbindung mit den Kräften der Schöpfung
Wenn Breu auf dem Wasser ist, taucht er ganz in die Natur ein. "Segeln ist für mich eine Verbindung mit den Kräften der Schöpfung. Das ist wie ausgesetzt sein", sagt er. Am schönsten sei es daher, wenn die Segel gehisst sind, der Motor aus ist und das Boot bei fünf bis sechs Windstärken auf Kurs geht. "Wenn sich dann das Schiff auf die Seite legt, Fahrt aufnimmt und es hinter einem gurgelt, ist es wie eine Schöpfungsharmonie."
Breu segelt, seit er 17 Jahre alt ist. Die Eltern eines Schulfreunds hatten eine kleine Jolle auf dem Ammersee. "Wir haben das Ding aufgeriggt, ins Wasser geschubst und sind gesegelt." Ein paar Mal sei das Boot auch umgekippt, "aber das war gut, um die Angst zu verlieren".
Die perfekte Crew
Mit seinem Kompagnon und Mitsegler Jörg Petschat, ebenfalls Pfarrer, hat er in den vergangenen Jahren viele Törns absolviert. So segelten sie in die südliche Ägäis oder ins Mittelmeer. Dieser Jörg ist eher vorsichtig: "Du sagst immer, das Boot muss das abkönnen. Aber es ist ein altes Charterboot. Was wissen wir denn, was das Boot abkann? Wollen wir das wirklich herauskriegen?" Vielleicht sind diese beiden Männer die perfekte Crew. Wenn der eine zu stürmisch agiert, bringt ihn der andere wieder zur Vernunft.
Am meisten gelernt beim Segeln hat Breu durch seine Fehler, erzählt er. "Das Boot reagiert mit Verzögerung", deshalb müsse jedes Manöver vorausschauend geplant werden. "Wenn der Wind in den Wanten pfeift und das Meer Schaumkrönchen hat, dann sollte man nicht mit Vollzeug hinausgehen. Wer zum ersten Mal einen Sonnenschuss gefahren ist - also zu viel Tuch gesetzt hat, wodurch das Ruderblatt aus dem Wasser kommt -, der kriegt das deutliche Signal: Das war jetzt zu viel."
Aber auch das Steuern und die Machbarkeit hätten ihre Grenzen. Manchmal müsse man es "einfach laufen lassen und gucken, was passiert". Aber in der Gefahr und hoch am Wind dürfe man "nicht schlampig sein", rät er. "Da muss man viel präsenter sein."
Wenn Breu übers Segeln spricht, klingt es wie ein spirituelles Abenteuer. Seit drei Wochen ist der Theologe nun wieder zurück und derzeit "schon wieder völlig untersegelt", sagt er. Die Kirche sei doch "eher ein Tanker als ein Segelschiff".