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Mittwoch, 21. August, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Tanze Tango mit mir"
Das freudlose Dasein des Bankkaufmanns Frank nimmt eine für alle überraschende Wendung, als er den Tango als neuen Lebensinhalt für sich entdeckt. Der Film beeindruckt auch durch eine aufwendig inszenierte Tanz-Choreographie.

In der Mitte seines Lebens wird ein Mann fast von einem Herzinfarkt dahingerafft. Sein Arzt rät ihm dringend, fortan jede Aufregung und vor allem jede körperliche Anstrengung zu vermeiden, denn den nächsten Infarkt würde er vermutlich nicht überleben. Aber was wäre das noch für ein Leben, ohne jeden Nervenkitzel, ohne Freude?

Tatsächlich wäre es exakt das Leben, das der gelernte Bankkaufmann Frank (Michael A. Grimm) bislang auch schon geführt hat. Seit er durch einen Algorithmus ersetzt worden ist, schlägt er seine Arbeitszeit als schlecht bezahlter Pförtner in einem Münchener Theater tot. Für unliebsame Abwechslung sorgt neben Schwiegermutter Ingrid (Gaby Dohm), die ihn für einen Versager hält, allein die heftig pubertierende Tochter Paula (Lilith Kampffmeyer); sie hält sich für fett und hässlich, und Liebeskummer hat sie auch.

Gattin Katrin (Eva Meckbach) ist gleichfalls nicht gerade glücklich mit dem gemeinsamen Dasein. Und dann hat Frank eines Tages ein Erlebnis, das sein Leben verändert: Er entdeckt den Tango und entwickelt eine fast schon obsessive Leidenschaft, die allerdings Gift für sein Herz ist.

Michael A. Grimm gehört zu den vielen sträflich unterschätzten TV-Schauspielern, deren Gesicht die meisten Zuschauer wiedererkennen; sein Name hingegen wird kaum jemandem geläufig sein. In Dutzenden Nebenrollen hat er Zeitgenossen gespielt, die oft unsympathisch oder gar Schurken waren, weil sie den spießigen Deutschen repräsentierten, der auf Regeln pocht und Vorbehalte gegen alles hat, was fremd ist.

Diesen Typus Mensch verkörpert in "Tanze Tango mit mir" (eine Wiederholung aus dem Jahr 2020) jedoch Ingrid; die zänkische Schwiegermutter, die sich nicht zu Franks Kollegen Navid (Reza Brojerdi) ins Auto setzen will, ist eine Paraderolle für Gaby Dohm. Zunächst scheint auch Frank in dieses Muster zu passen, aber das ändert sich, als ihn der Tango packt. Wie es Grimm gelingt, seinem für filigrane Tanzschritte anscheinend denkbar ungeeigneten und zunächst entsprechend unbeholfenen Körper nach ganz viel Übung eine verblüffende Grazie zu entlocken: Das ist höchst beeindruckend.

Natürlich ist das Tanzen letztlich nur Mittel zum Zweck. Die eigentliche Geschichte, die Peter Güde und Matthias Fischer (Buch) sowie Filippos Tsitos (Regie) mit ihrem immer wieder unerwartet humorvollen Film erzählen, handelt von einem Mann, der seine Bestimmung entdeckt und sich durch nichts und niemanden davon abhalten lässt, sein Ziel zu erreichen; weder von seiner angeschlagenen Gesundheit noch von Katrin und auch nicht von seinen Freunden.

Im Grunde ist "Tanze Tango mit mir" eine märchenhafte Heldenreise: In Franks weitgehend freudlosem Dasein öffnet sich plötzlich die Tür zu einer völlig anderen Welt. Als Mentorin fungiert die strenge Tanzlehrerin Maresa (Kara Wenham). Sie sieht bereits bei der ersten Begegnung etwas in ihm, von dem er selbst nichts geahnt hat. Noch vor dem ersten Tanzschritt korrigiert sie seine Körperhaltung, und weil das Sein das Bewusstsein bestimmt, ändert sich nach und nach auch seine innere Haltung. Tochter Paula findet es klasse, dass ihr Vater endlich mal was Verrücktes macht. Katrin hingegen, die zunächst geglaubt hat, er habe eine Affäre, macht sich Sorgen um die gemeinsame Existenz und um Franks Blutdruck; sie versteht nicht, dass er für den Tango sein Leben riskiert.

Tsitos hat fürs ZDF diverse Serienepisoden inszeniert (allen voran für die Reihe "Der Kriminalist"); seine wenigen TV-Krimis haben keine größeren bleibenden Erinnerungen hinterlassen. Umso eindrucksvoller ist "Tanze Tango mit mir". Der Regisseur konzentriert sich voll und ganz auf seine ausnahmslos guten Schauspielerinnen und Schauspieler, wobei die vorzüglich choreografierten Tanzszenen natürlich im Mittelpunkt stehen; Kara Wenham ist eine bekannte Tangotänzerin und arbeitet auch im wirklichen Leben als Lehrerin.

Nicht minder treffend sind die Nebenrollen besetzt: mit Gerhard Wittmann als Arzt sowie mit Stephan Zinner und Christian Baumann als Franks Freunde, die zwar für einige Heiterkeiten sorgen, aber kein Verständnis für seine Passion haben. Sehr schön ist auch die Bildgestaltung (Ralph Netzer), zumal die Kamera immer wieder Franks Perspektive einnimmt, wenn er beispielsweise beobachtet, wie sich die Tänzer der Musik hingeben, oder wenn sein Blick auf die Details fällt, weil die Frauen scheinbar mühelos mit schnörkelhafter Anmut komplizierte Fußbewegungen aus dem Sprunggelenk schütteln; und natürlich entgeht ihm auch nicht, wie sich die Männer schon allein durch ihre besondere Kleidung in neue Persönlichkeiten zu verwandeln scheinen.