Alt und Jung, Schwarz und Weiß, Draufgänger und Drückeberger: In der Literatur- und Filmgeschichte wimmelt es nur so von ungleichen Gespannen, die sich allen Unterschieden zum Trotz zusammenraufen und fortan als Freundfeinde gemeinsam durch Dick und Dünn gehen. Mit seinem umgehend zum Kultgeschöpf avancierten Känguru hat Marc-Uwe Kling 2008 allerdings den wohl ungewöhnlichsten Begleiter erschaffen, seit die Amerikanerin Mary Chase in ihrem Theaterstück "Mein Freund Harvey" (1944) einem schrulligen Herrn einen nur für ihn sichtbaren zwei Meter großen Hasen an die Seite gesellte. Ein kommunistisches Beuteltier und ein mittelloser Kleinkünstler: Skurriler könnte ein Duo kaum ausfallen. Kein Wunder, dass Klings "Känguru-Chroniken" ein Knüller wurden.
Die Verfilmung der Erzählungen (2020) ist allerdings deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Zwar konnten trotz der Corona-bedingten Kinoschließungen knapp 800.000 Eintrittskarten verkauft werden, aber Kling, der selbst das Drehbuch geschrieben hatte, war mit Dani Levys Umsetzung nicht rundum zufrieden. Tatsächlich kam der Humor im Gegensatz zu den Büchern des Öfteren mit dem Vorschlaghammer daher.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Also hat der Autor die Fortsetzung kurzerhand selbst inszeniert. Ein kühnes Unterfangen, denn vom Filmemachen hatte der Kabarettist im Grunde keine Ahnung, was dem Ergebnis allerdings nicht anzusehen ist. Entscheidender aus Sicht der Känguru-Fans ist jedoch der veränderte Tonfall: Es geht zuweilen immer noch recht unsubtil zu, doch die Zahl der Slapstickszenen ist wesentlich niedriger.
Außerdem ist "Die Känguru-Verschwörung" deutlich satirischer, denn Kling knöpft sich einen Trend vor, der spätestens seit der Pandemie nicht mehr bloß eine zu vernachlässigende Minderheit betrifft. Leider werden sich deren Mitglieder diesen Film nicht anschauen: Wer überzeugt ist, geheimnisvolle Eliten wollten mit Covid-19 die Weltbevölkerung dezimieren, hat erfahrungsgemäß wenig Sinn für Selbstironie. Das ist schade, denn womöglich würde ihnen die Handlung zu denken geben.
Allein die Idee, eine eigene These in Umlauf zu bringen, die tatsächlich begeisterte Anhänger findet, ist grandios: Marc-Uwe (Dimitrij Schaad) will einer Frau klarmachen, dass sich mit plausibel klingenden Argumenten nahezu alles behaupten und belegen ließe, und überzeugt auf diese Weise einen zufällig lauschenden Kleingeist davon, dass die Erde ein Würfel sei.
Motor des Films ist zwar der Klimawandel, aber Treibstoff ist die Liebe: Marc-Uwe versucht nach wie vor vergeblich, bei Maria (Rosalie Thomass) zu landen. Nach einem völlig verunglückten Rendezvous scheint die Sache gelaufen. Maria gibt ihm eine letzte Chance: Wenn es ihm gelingt, ihre Mutter zu bekehren, wird sie sich auf ein zweites Date einlassen; auf ihre Kosten, in Paris. Wenn nicht, bekommt sie seine deutlich größere und dennoch günstigere Wohnung.
Die Aufgabe entpuppt sich als unlösbar: Lisbeth Schlabotnik, Spitzname Diesel Liesel (Petra Kleinert), ist felsenfest davon überzeugt, dass Klimakatastrophen ein völlig natürliches Phänomen sind und nichts mit dem menschlichen Raubbau an der Natur zu tun haben. Eigentlicher Gegenspieler ist jedoch wie im ersten Film ein Rechtspopulist: Adam Krieger, von Benno Fürmann lustvoll überzogen und dennoch mit Blick auf echte Vorbilder verkörpert, ist der Guru aller Leichtgläubigen.
Erneut nutzt Kling das Handlungsgerüst für allerlei Exkurse, bei denen die Parodien auf andere Genres besonders großen Spaß machen. Das gilt vor allem alle für die Reise in Lisbeths Heimat Hinterwalde, die vorübergehend zum Trip in ein Schattenreich mutiert, in dem sinistre Doppelgänger der handelnden Personen ihr finsteres Wesen treiben. Sehr amüsant sind auch die kleinen Verbeugungen vor "Forrest Gump" und vorm Western-Gesamtwerk von John Ford oder eine Draisinenfahrt à la "Indiana Jones".
Die eigentliche Qualität des Films ist jedoch eine andere. "Die Känguru-Verschwörung" mag in erster Linie auf ansteckend heitere Weise albern sein, aber spätestens das Finale, wenn die beiden Antihelden nach einer Odyssee, in deren Verlauf sie unter anderem die Varus-Schlacht überstehen, zum Treffen der Verschwörungsanhänger ausgerechnet im angeblich doch gar nicht existenten Bielefeld eintreffen, ist ein Augenöffner: weil hier den Leuten gnadenlos das Geld aus der Tasche gezogen wird. Darüber hinaus hat Kling sein auch handwerklich eindrucksvolles Regiedebüt mit derart viel Liebe zum Detail konzipiert, dass viele der kleinen Scherze am Rande erst beim zweiten Mal auffallen.