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Samstag, 17. August, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Lost in Fuseta – Ein Krimi aus Portugal"
In der Geschichte des Hamburger Kommissars Leander Lost, der in Portugal ermittelt, beeindruckt Jan Krauter in der Rolle des Polizisten mit autistischen Zügen. Und auch der Rest des Ensembles agiert überzeugend.

Weil sich auch ARD und ZDF bei ihren Programmentscheidungen an den Vorlieben des Publikums orientieren, sind in den letzten Jahren einige Filmreihen mit großem Potenzial nicht über zwei Teile hinausgekommen. Auf der Strecke geblieben sind unter anderem "Kommissar Pascha" (ARD, nach den Romanen von Su Turhan) oder "Kommissar Süden" (ZDF, nach den Romanen von Friedrich Ani). Beide zeichneten sich durch Hauptfiguren aus, die nicht dem üblichen Muster entsprechen.

Für Leander Lost gilt das nicht minder. Der Kommissar ist das Krimipendant zu Ella Schön, der Juristin mit Asperger-Syndrom aus der gleichnamigen ZDF-Reihe: Lost hat ein fotografisches Gedächtnis und verfügt über eine brillante Kombinationsgabe, tut sich aber schwer damit, die Mimik seiner Mitmenschen zu deuten. Für Ironie hat er überhaupt kein Gespür, Humor ist ihm ohnehin fremd, Metaphern versteht er wortwörtlich und Smalltalk kann er auch nicht; kein Wunder, dass er sich unter Menschen "lost" (verloren) fühlt.

Ähnlich wie "Ella Schön" enthält "Lost in Fuseta" (TV-Premiere war 2022) zwar einige heitere Momente, ist jedoch keine Komödie, sondern in erster Linie ein Krimi, der schließlich in ein ebenso fesselndes wie dramatisches Finale mündet.
Der mehrfache Grimme-Preisträger Holger Karsten Schmidt ("Nord bei Nordwest", "Harter Brocken") ist nicht immer glücklich über die Umsetzungen seiner Vorlagen, aber mit der Arbeit von Florian Baxmeyer ist er hochzufrieden. Zu Recht: Der Regisseur hat aus dem Drehbuch einen rundum gelungenen Zweiteiler gemacht.

Das liegt auch an Jan Krauter ("Solo für Weiss"). Von außen betrachtet mag es für einen Darsteller nicht weiter herausfordernd wirken, in erster Linie keine Miene zu verziehen, aber Krauter hat eine ebenso ausdrucksstarke wie eindrucksvolle Körpersprache für den gelegentlich von Panikattacken heimgesuchten Kommissar gefunden.

Teil eins beginnt mit Losts Ankunft in Portugal: Der Hamburger Polizist kommt im Rahmen eines europäischen Austauschprogramms an die Algarve. Das Duo, dem er zugeteilt wird, tut sich erst mal schwer mit dem Sonderling. Als er Graciana Rosado (Eva Meckbach) und Carlos Esteves (Daniel Christensen) vermeintlich beim Chef verpfeift, weil sie von der Cannabis-Plantage eines kleinkriminellen Informanten wissen, ist der schlechte Start perfekt; die beiden können nicht ahnen, dass Lost nicht lügen kann.

Kurz drauf scheint das portugiesische Intermezzo ohnehin beendet: Als ein Gangster Carlos ein Messer an die Kehle hält, schießt Lost dem Kollegen durchs Bein, um so auch den Ganoven zu treffen. Geschickt bettet Schmidt solche Begebenheiten in eine große Geschichte: Es geht um die unmoralischen Trinkwassermachenschaften eines Schweizer Lebensmittelkonzerns; Ähnlichkeiten mit einem realen Vorbild dürften kein Zufall sein. Die Vertuschung des Skandals hat bereits zu mehreren Todesopfern geführt, und lösen können die drei den Fall tatsächlich nur zu dritt; "Lost in Fuseta" ist auch ein Inklusionsfilm.

Die Krimi-Ebene ist fesselnd, aber noch besser sind Personal und Ensemble. Eva Meckbach und Daniel Christensen sind weit mehr als bloß eine Ergänzung für Krauter. Auch die markanten portugiesischen Mitwirkenden sind sehr gut ausgewählt, allen voran Adriano Carvalho als Vorgesetzter und José Fidalgo als attraktiver Mann fürs Grobe. Anders als einige Nebenrollen sind sie zudem ausgezeichnet synchronisiert.

Das gilt auch für Filipa Areosa: Gracianas jüngere Schwester Soraia fühlt sich stark zu dem "Alemão" hingezogen. Sie verkörpert den "gewissen Zauber", den Lost an dem Land schätzt, und bereichert den Film um eine schmerzlich-schöne Ebene: Ihre Liebe ist nicht zu übersehen, aber Lost nimmt sie nicht wahr.

Schmidts Drehbuch basiert auf seinem ersten von mittlerweile sechs "Lost"-Romanen, die er seit 2017 unter dem offenen Pseudonym Gil Ribeiro beschrieben hat (Kiepenheuer & Witsch). Bei Baxmeyer, der zuletzt die nicht minder sehenswerte ARD-Serie "Schneller als die Angst" gedreht hat, ist es in den besten Händen. Sehenswert ist nicht nur die Arbeit mit den Mitwirkenden, zu dem im zweiten Teil noch die stets sehenswerte Bianca Neuwirth als Tochter einer ermordeten Umweltaktivistin stößt.

Auch die Bildgestaltung (Michal Grabowski) ist beeindruckend, und das nicht nur wegen des berückenden mediterranen Lichts; zwischendurch erfreut der Film immer wieder durch spektakuläre Kameraflüge. Die von melancholischem einheimischem Liedgut durchsetzte Musik (Martina Eisenreich) wiederum ist ausgesprochen lässig; effektvoll inszenierte alptraumhafte Momente sorgen für krasse Kontrapunkte. Das "Erste" zeigt beide Teile hintereinander.