Auf der Internetseite der Sächsischen Grundstücksauktionen AG aus Leipzig findet sich derzeit ein nicht alltägliches Angebot. Eine "denkmalgeschützte, neogotische Kirche mit Pfarrei" auf einem rund 4.963 Quadratmeter großen Grundstück wird dort angeboten. Am 30. August soll das katholische Gotteshaus, das 2020 vom Bistum Magdeburg aufgegeben wurde, unter den Hammer kommen. Mindestgebot: 149.000 Euro.
Der Zusatz "mit Pfarrei" ist dabei nicht wörtlich zu verstehen: Die Gemeinde in Hettstedt im Landkreis Mansfeld-Südharz in Sachsen-Anhalt wird nicht bei der Auktion angeboten, sondern das ehemalige Pfarrhaus. Das Angebot liest sich durchaus interessant: Das Objekt befinde sich in südlicher Zentrumsrandlage, circa 800 Meter vom Markt entfernt. Der Bahnhof Hettstedt sei in circa 400 Metern zu erreichen. Versorgungseinrichtungen, Arztpraxen, Schulen und Kindertagesstätten sowie Geschäfte des täglichen Bedarfs seien in wenigen Minuten zu Fuß erreichbar.
Über 100 Jahre bot die Kirche "Unbefleckte Empfängnis der Jungfrau Maria", kurz Marienkirche, mit ihren 150 Plätzen den Katholiken in der Bergbauregion eine Heimat. War das heutige Sachsen-Anhalt nach der Reformation komplett evangelisch geworden, zogen Ende des 19. Jahrhunderts katholische Bergarbeiter etwa aus Polen oder Italien in die Region, erzählt Meinolf Thorak aus der örtlichen Pfarrei St. Georg. 1892 habe man mit dem Kirchenbau begonnen. "Das Famose war, dass er damals in vier Monaten hochgezogen wurde", erzählt er im Gespräch. Das Dach sei zwar noch nicht fertig gewesen, aber den Dachstuhl habe man in so kurzer Zeit fertiggestellt.
Umzug in kleinere Kapelle
Nach der Wiedervereinigung habe dann der Strukturwandel die Region erwischt. Das Mansfeld Kombinat als größter Arbeitgeber wurde abgewickelt und aufgespalten, viele Arbeitsplätze gingen verloren. Viele junge Menschen seien der Arbeit hinterhergezogen, erzählt Thorak. "Aus einer guten Gemeinde fehlt eine ganze Generation", berichtet der Katholik. Die Pfarrei habe in Hettstedt noch eine erheblich kleinere Kapelle, die für die verbliebene Gemeinde ausreiche. Am 19. Juli 2020 wurde die Marienkirche profaniert, also entwidmet.
Die Marienkirche sei bereits das dritte Gotteshaus, von dem sich die Pfarrei trenne. Das meiste Inventar habe die Gemeinde nach Polen gegeben, die Orgel sei ins nahe gelegene Helbra umgezogen. Doch für das Gebäude selbst habe sich kein passender Käufer gefunden. "Es gab schon viele Interessenten, aber man braucht auch eine gute Idee, etwa eine Kultur- oder Kletterkirche", sagt Thorak. Daher habe man sich entschlossen, die Kirche versteigern zu lassen. Es gebe aber Beschränkungen: So seien etwa eine Kneipe, ein Bordell oder auch eine Nutzung durch andere Religionen nicht erlaubt.
Zu haben: Kapelle, Kirche oder Gemeindehaus
Dass eine Kirche unter den Hammer kommt, ist mittlerweile gar nicht mehr ungewöhnlich, meint Andreas Blum von der Niederlassung Leipzig der Sächsischen Grundstücksauktionen AG. "Das kommt immer mal Schwung-mäßig", sagt Blum: "In den 2000er-Jahren gab es noch das Dogma, die Kirche verkauft nicht. Irgendwann waren die wirtschaftlichen Zwänge dann doch so, dass man sich von dem einen oder anderen Objekt getrennt hat." Da sei alles dabei von Friedhofskapellen über Pfarrhäuschen, Gemeindehäuser bis hin zu Kirchen, sowohl evangelische als auch katholische.
Dass es in der näheren Vergangenheit eine stärkere Kontaktaufnahme wegen der Versteigerung kirchlicher Objekte gegeben habe, sieht Thomas Engel von der Westdeutschen Grundstücksauktionen AG in Köln allerdings nicht. Das Unternehmen ist Mitglied im Bundesverband deutscher Auktionatoren und hat nach eigenen Angaben schon mehrfach kirchliche Gebäude versteigert. Bei den Bietern handle es sich fast ausschließlich um Privatpersonen. Der größte Teil der Interessenten hatte laut Engel ein wohnwirtschaftliches Interesse an den architektonisch interessanten Kirchengebäuden.