Die Aufregung um eine Veranstaltung in der evangelischen Himmelfahrtskirche in München-Sendling ist groß: Dort soll am Dienstagabend ein Benefizkonzert zugunsten der Nothilfe in Gaza stattfinden - der Unmut darüber ist teils groß. Sogar der bayerische Antisemitismusbeauftragte Ludwig Spaenle meldete sich zu Wort und sprach mit Blick auf die geplanten Redebeiträge von einer "einseitig propalästinensischen" Veranstaltung. Die Pfarrerin der Himmelfahrtskirche, Stephanie Höhner, weist Spaenles Kritik zurück.
Spaenle hatte bereits am Montag in einer Stellungnahme gesagt, Spenden sammeln für die medizinische Versorgung von Menschen im Gazastreifen, verbunden mit einem Musikkonzert und einem Podiumsgespräch verdiene zwar grundsätzlich Anerkennung. Aber das mit dem Linksextremen Kerem Schamberger und der Journalistin Alena Jabarine besetzte Podium lasse pro-palästinensische Propaganda erwarten. Beide seien keine Gesprächspartner, die einen sachlichen Dialog erwarten ließen: "Eine verpasste Chance. Schade, dass sich die evangelische Gemeinde nicht klarer für eine ausgewogene Diskussion engagiert."
Es werde, anders als von Spaenle behauptet, keine Podiumsdiskussion geben, so Pfarrerin Höhner. "Es ist lediglich ein Konzert von namhaften Musiker:innen der Klassikszene, in dem es zwei Redebeiträge geben wird." Auf der Homepage der Gemeinde ist nichts von einer Podiumsdiskussion zu lesen. Als Redner werden Alena Jabarine und Tsafrir Cohen, Geschäftsführer von Medico International, aufgelistet, Kerem Schamberger als Moderator.
"Weder ich als Vertreterin der Himmelfahrtskirche noch die teilnehmenden Musiker:innen haben ein Interesse an politisch einseitigen Formaten", betont Pfarrerin Höhner. Dass der Antisemitismusbeauftragte Spaenle wegen Schamberger und Jabarine keinen sachlichen Dialog erwarte, sei eine "Mutmaßung, die nicht begründet und plausibel belegt wird". Doch genau das hat Spaenle getan: Jabarine habe einen Tag nach dem Terroranschlag der Hamas vom 7. Oktober geraten: "Und auf keinen Fall die deutschen Medien konsumieren." Schamberger werfe Israel einen "genozidalen Krieg" vor.
"Der Wunsch nach Frieden und die Erschütterung über das Leid der Menschen in diesem Konflikt - auf beiden Seiten der Grenzen - verbindet uns als Christ:innen mit der Veranstaltung."
Die Veranstaltung läuft unter dem Titel "Benefizkonzert Medico International Nothilfe für Gaza". Als Veranstalter wird "Johannes König/Medico International" genannt. Die Himmelfahrtsgemeinde ist die Vermieterin der Räumlichkeiten, ein Problem sieht Pfarrerin Höhner hier nicht. "Bei diesem Konzert steht die humanitäre Hilfe für die Menschen in Gaza im Mittelpunkt." Für diesen Zweck stelle die Kirchengemeinde die Himmelfahrtskirche zur Verfügung. "Der Wunsch nach Frieden und die Erschütterung über das Leid der Menschen in diesem Konflikt - auf beiden Seiten der Grenzen - verbindet uns als Christ:innen mit der Veranstaltung", sagte Höhner.
Aufgekommen war die Kritik durch die "Münchner Bürger gegen Antisemitismus und Israelhass" (MBAI), die der Himmelfahrtskirche und den Veranstaltern in einer Mail vom Wochenende eine "Täter-Opfer-Umkehr" und eine Verharmlosung der Hamas vorwerfen: "Sie laden drei Personen aus dem linken BDS-nahen Spektrum ein - zu einer Zeit, wo in Deutschland der Antisemitismus rapide ansteigt, Juden wieder Angst haben und verunsichert sind?" Es gehe weder um Meinungsfreiheit noch um ein zielführendes Gespräch mit "diesen drei einschlägig bekannten" Personen.
Der Ton in der Mail der MBAI gleitet an einigen Stellen aber auch ins Unsachliche und Schrille ab. Den auftretenden Musikern und der gesamten Münchner Klassikszene wird ohne Begründung Zweitrangigkeit unterstellt, in dem Zusammenhang bekommt auch der Dirigent Daniel Barenboim sein Fett weg. Und: Medico international sei genauso wie die kirchlichen Hilfswerke "Misereor" und "Brot für die Welt" bereits einseitig gegen Israel aufgefallen. Wer hinter MBAI genau steht, ist nicht klar; die Gruppe will aus Sicherheitsgründen anonym bleiben.
Mirjam Elsel, Beauftragte für den interreligiösen Dialog in der bayerischen evangelischen Landeskirche, versucht sich an einer Einordnung: "Opfer in Konkurrenz zueinander zu stellen, wie es die Autor:innen des Schreibens tun, ist immer problematisch." Die Diskreditierung der Redner und Unterstellung der Infragestellung des Existenzrechtes Israels werde über viele Ecken "konstruiert und ist nicht nachweisbar".
Die Redner hätten eine klare Haltung zu Gaza, "aber deswegen würde ich sie noch lange nicht als antisemitisch bezeichnen". In der Landeskirche gebe es auch viele Veranstaltungen, in denen die Solidarität mit Israel im Fokus stehe, "hier von Einseitigkeit zu sprechen, halte ich nicht für legitim", sagte Elsel. Die Veranstaltung soll am Dienstagabend um 18 Uhr in der Himmelfahrtskirche beginnen. Für 17 Uhr ist vor der Kirche eine Gegenaktion angemeldet.