Als RTL das Wiedersehen mit dem Comedy-Klassiker vor zwei Jahren das erste Mal ausgestrahlt hat, fragten sich die Fans des Formats nicht nur, ob diese Art von Nonsens-Comedy überhaupt noch funktionieren würde: Wäre "RTL Samstag Nacht" ohne den begnadeten Kindskopf Mirco Nontschew nicht wie ein Auto mit drei Rädern? Der Komödiant ist 2021 während der Vorbereitungen für die Sendung gestorben.
Seine Geräusche, seine Grimassen, sein ganzes hyperaktives Gebaren waren ein derart unverzichtbarer Bestandteil der Show, dass sich die Beteiligten sehr ernsthaft überlegt haben, ob sie das Projekt absagen sollen, und vermutlich ist es tatsächlich mehr als bloß eine Floskel, dass sie schließlich erkannten: Mirco hätte das nicht gewollt. Außerdem ist er ja dabei, denn die selbst ohne Werbepausen über zweieinhalb Stunden lange Aufzeichnung besteht mindestens zur Hälfte aus den Höhepunkten der einstigen Ausgaben, zumal alle Beteiligten auch ihre Lieblingssketche mit dem Kollegen präsentieren.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
"RTL Samstag Nacht", 1993 gestartet, hat damals Maßstäbe gesetzt, und das nicht nur, weil die Comedy-Show die erste dieser Art im Privatfernsehen war. Fast alle Mitwirkenden haben anschließend richtig Karriere gemacht, allen voran Olli Dittrich, der für seine diversen Schöpfungen – vom Thekenphilosophen "Dittsche" bis zu den vielen Figuren aus den ARD-Persiflagen – praktisch jedes Jahr eine Auszeichnung erhält.
Seinen ersten von gleich vier Grimme-Preisen gab’s für die "Samstag Nacht"-Rubrik "Zwei Stühle – Eine Meinung" mit Wigald Boning als Interviewer und Dittrich in Dutzenden verschiedenen Rollen. Zum Wiedersehen ist er noch mal in die Rolle des Zuhälters Mike Hansen geschlüpft.
Wie das Original ist auch die Neuauflage eine Wundertüte. Bestes Beispiel ist die Rubrik "Samstag-Nacht-News": Viele Gags sind schlicht nicht komisch. Andere verpuffen, wenn man das Original nicht kennt, etwa der Nachruf auf Karl Ranseier; die immer wieder neuen Würdigungen dieser fiktiven Persönlichkeit waren einst fester Bestandteil der Rubrik. Einige Sketche sind jedoch grandios und werden selbst Comedy-Muffel erheitern, vor allem, wenn sich die Mitwirkenden nicht damit begnügen, alte Gags neu zu verpacken.
Pure Anarchie war damals zum Beispiel "Far Out": Nontschew und Tommy Krappweis präsentierten neue Trends aus Amerika, die sie im Stil von "Jackass" ins Extreme persiflierten. Geradezu genial ist die Idee, dass Nontschews Part nun von Bernd dem Brot übernommen wurde; Krappweis hat für seine Erfindung des deprimierten Kika-Maskottchens 2004 den Grimme-Preis bekommen. Boning präsentiert als Wissenschaftsjournalist ("Wigalds Welt") eine Fortsetzung seines Beitrags über das Liebesleben der Regenschirme und geht der Frage nach, was wohl aus dem einstigen Paarungsresultat von (natürlich ein Knirps) geworden sein mag.
Anders als früher ist die in den Neunzigern von Hugo Egon Balder und Jacky Dreksler produzierte Show diesmal keine Nummernrevue. Das Gerüst der Sendung ist eine Talkrunde, in der Balder und die Mitwirkenden Anekdoten und Erinnerungen austauschen, gern ergänzt um passende Ausschnitte von einst.
"Was danach geschah" wird eher beiläufig abgehandelt. Überschaubar ist auch der Mehrwert, den die Show durch verschiedene Gastauftritte bekommt. Die Einladung von Markus Maria Profitlich ist wohl in erster Linie ein Zeichen der Solidarität mit einem erkrankten Kollegen, der unkaputtbare Atze Schröder hält einen Monolog über Blähungen, Ingo Appelt hat im Grunde bis heute nicht mehr zu bieten als "Ficken".
Völlig überflüssig, weil gänzlich unlustig ist schließlich der Beitrag der als "einer der lustigsten Menschen des Landes" angekündigten Tahnee, ein reiner Tribut an ein jüngeres Publikum; die Komikerin war 1993 eineinhalb Jahre alt. Auch der Stand-up-Auftritt von Jürgens ist nicht gerade ein Feuerwerk.
Was das Ensemble wirklich drauf hat, zeigt sich vor allem in der Gesprächsrunde, wenn die Gags nicht aufgeschrieben oder abgesprochen sind, sondern spontan aus dem Ärmel geschüttelt werden. In den Slapsticksketchen und gespielten Witzen ist der Humor überwiegend heftig und deftig, aber das war er damals auch schon, weshalb es zwischen den Fangemeinden von "RTL Samstag Nacht" und der "Harald Schmidt Show" vermutlich keine großen Überschneidungen gegeben hat. Trotzdem hat die Show neben vielen Albernheiten gelegentlich Momente zu bieten, die mit etwas Wohlwollen sogar intellektuellen Ansprüchen genügen.