Sie ist klein und auf den ersten Blick unscheinbar - und man kann sie bei der Durchfahrt schnell übersehen. Und dennoch ist die Dorfkirche in Osterwohle, einem Ortsteil der Hansestadt Salzwedel im Norden Sachsen-Anhalts, international bekannt. Jörg Wrobel, der sich ehrenamtlich um das Gotteshaus aus dem 13. Jahrhundert kümmert, hat nach eigener Aussage bereits Gäste aus Australien, Indonesien, Brasilien und Japan durch die Kirche geführt, in der er jede Ecke kennt.
Der Grund: Anfang des 17. Jahrhunderts - mitten im Dreißigjährigen Krieg - wurde sie von oben bis unten mit filigranen Holzschnitzereien ausgestattet, die bis heute erhalten geblieben sind. Sie ziehen Besucher aus aller Welt an.
Auch an diesem Nachmittag ist Wrobel wieder mit fünf Gästen unterwegs, darunter ein Paar aus Italien, andere kommen aus Süddeutschland. Mit großer Routine zeigt er das Taufbecken in der Mitte der Kirche, das mit reichen Schnitzereien verziert ist. Bewegt man das Becken auf und ab, beginnt sich im Altarraum ein Engel auf und ab zu bewegen - ebenfalls komplett aus Holz gefertigt. Wrobel zeigt den Gästen auch seinen Lieblingsplatz, die Kanzel. "Der Rundkreis ist die schönste Arbeit, weil er ins Holz reingeschnitzt wurde", sagt Wrobel.
Seit 25 Jahren kümmert er sich um die evangelische Kirche, die der Ur-Osterwohler seit seiner Kindheit kennt. Hier wurde er als Kind getauft und konfirmiert. Nach der Wiedervereinigung verlor der gelernte Gärtner seine Arbeit in der Landwirtschaft - und wurde über eine ABM-Maßnahme angestellt, um sich um die kleine Dorfkirche zu kümmern. Denn seitdem der "kleine Grenzverkehr" zwischen der Bundesrepublik und der DDR in dem grenznahen Ort in der Altmark in den 1980er Jahren Fahrt aufgenommen hatte, kamen auch aus dem Westen immer mehr Touristen nach Osterwohle.
Gefahr durch Holzwurm und Regenwasser
Nach einigen Jahren war die Maßnahme beendet - und Jörg Wrobel machte trotzdem weiter. Seitdem kümmert er sich im Ehrenamt um das künstlerische Kleinod. "Rund 30 Stunden pro Woche habe ich zuletzt hier gearbeitet", erzählt er im Gespräch. Allein in dieser Woche habe er schon drei Führungen gegeben - und es könnten noch einige mehr sein. Denn es sei gar nicht so einfach, die Terminwünsche der Touristen unter einen Hut zu bringen. Doch Wrobel macht noch mehr: Er pflegt das Außengelände, mäht den Rasen und entfernt auch mal einige Spinngewebe.
Dabei war das kunstvoll gestaltete Gotteshaus vor 30 Jahren akut gefährdet. "Die Decke wäre ohne die Wende nicht mehr da", ist Wrobel überzeugt. 2010/11 wurde die reich verzierte Holzdecke saniert, zwischen 2005 und 2006 war die Kirche ein Jahr lang nicht zugänglich. Sie wurde mit Gas gefüllt, um einen unsichtbaren Feind zu bekämpfen: Den Holzwurm, der sich durch die rund 400 Jahre alten Schnitzereien gefressen hatte. So ganz weg ist der Schädling immer noch nicht, immer wieder müssen einzelne Schnitzereien behandelt werden. Durch den Kirchturm, der von außen komplett geschiefert ist, drang vor einigen Jahren Regenwasser ein. Auch dieser Schaden wurde behoben.
Zukunft der Gemeinde ungewiss
So ist die kleine Kirche in Osterwohle auch heute noch etwa in dem Zustand wie vor 400 Jahren. Der Dreißigjährige Krieg und zwei Weltkriege gingen über das Altmark-Dorf ohne größere Veränderungen hinweg. Nur der Altar sei irgendwann verschwunden. Wohin, könne niemand sagen, erzählt Wrobel. Seit 1958 steht ein etwas zu wuchtiger Steinaltar hinter dem handgeschnitzten Holzlettner.
Trotz der Berühmtheit macht die allgemeine Krise in der Kirche auch vor Osterwohle nicht Halt. Gottesdienste finden hier nur noch wenige statt, hinzu kommen etwa drei bis vier Konzerte pro Jahr. Der örtliche Pfarrer betreue mittlerweile 30 Gemeinden, berichtet Wrobel. Nächstes Jahr gehe der Geistliche in den Ruhestand. Wie es dann weitergeht, sei unklar. Denn auch Jörg Wrobel ist inzwischen 70 Jahre alt. Einen Nachfolger, der seine Arbeit fortsetzen könnte, hat er bisher nicht gefunden.