"Gott allein" hat dafür gesorgt, dass Donald Trump noch lebt. Der Angeschossene selbst hat es so gesagt. "Gott allein hat das Undenkbare verhindert." Das sehen viele Menschen so, und es ist verständlich. Wenn jemand um Haaresbreite dem Tod entrinnt, hat man rückblickend manchmal das Gefühl, da habe eine göttliche Macht eingegriffen. Ich persönlich habe noch keine solche Erfahrung gemacht, aber mein Großvater überlebte einst ein Zugunglück und war zeitlebens der festen Überzeugung, ein Engel habe ihn dazu gebracht, sich während der Zugfahrt an einen anderen Platz zu setzen.
Das kann man weder meinem Großvater noch den widerlichsten Menschen verübeln, wenn sie nach einem solchen Erlebnis sich von Gott behütet fühlen. Die meisten Menschen werden anschließend demütiger als zuvor. Sie verstehen, dass es eben ganz und gar nicht "undenkbar" ist zu sterben, sondern dass der Tod jederzeit eintreten kann, dass er der ständige Begleiter durch das Leben ist. Diese Einsicht ist gut und hilft dabei, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen. Manche Menschen verstehen es als zweite Chance, die Gott ihnen gibt, es von nun an besser zu machen. Dass solch ein Sinneswandel bei Donald Trump möglich sein könnte, ist mir unvorstellbar, aber bislang hält er sich trotz gereckter Faust für seine Verhältnisse tatsächlich noch zurück.
Ich rechne nicht damit, dass dieser Zustand der "ansatzweisen Demut" bei Trump lange anhalten wird. Seine Anhänger:innen haben längst den Weg eingeschlagen, den die gereckte Faust direkt nach dem Schuss symbolisierte: Jetzt erst recht! Problematisch wird eine solche "Rettung durch Gott" nämlich dann, wenn man aus ihr eine Bestätigung für das bisherige Tun und Lassen ableitet. So, als hätte Gott sagen wollen: "Halt, der ist gut! Der darf nicht sterben. Der muss so weitermachen!" Das will ich an dieser Stelle gar nicht glauben. Falls Gott tatsächlich eingegriffen hat, um Trump weiterleben zu lassen, kommt für mich nur die Vermutung in Frage, dass Gott ihm eine zweite Chance geben wollte. Dass ich Trump nicht zutraue, dass er diese Chance nutzt, ist mein Problem.