Himbeere-Rhabarber, salziges Butterkaramell, Zitrone-Basilikum: Am Potsdamer Oberlinhaus der Diakonie haben sich Menschen mit Handicap ein neues Geschäftsfeld erarbeitet. Sie stellen Speiseeis her, in klassischer handwerklicher Arbeit in der hauseigenen Eismeierei Babelsberg. Und das mit großem Erfolg: Rund 50 kommerzielle Abnehmer gibt es inzwischen. Das Oberlin-Eis wird im großen Kongresshotel am Luftschiffhafen verkauft, in der Kantine des Hans-Otto-Theaters, in der Cafeteria des Geoforschungszentrums auf dem Potsdamer Telegraphenberg.
Große Behälter mit Magermilchpulver, Zucker, Dextrose, ein paar Maschinen, Eiswannen, ein Aktenordner mit Rezepten stehen im Produktionsraum der Eismeierei direkt neben der Cafeteria der Oberlinklinik. An diesem Sommertag werden dort drei Eissorten hergestellt. Erst Vanille, später noch Stracciatella.
Doch jetzt ist Milchreis dran, eine Variante, die bei Kunden ebenso wie bei den Eis-Arbeitern auf Begeisterung treffe, erzählt Cornelia Fiala, Assistentin der Geschäftsführung der Oberlin-Werkstätten: "Das Milchreis-Eis ist unser Renner."
Geleitet wird die Eismanufaktur von einem Koch mit sonderpädagogischer Zusatzausbildung.
Die Beschäftigten sind Menschen, die Stress, Belastungen und Anforderungen auf dem regulären Arbeitsmarkt psychisch nicht standhalten können. "Wir bieten ihnen hier sinnstiftende Arbeit in einem geschützten Umfeld an", sagt Fiala. Und darauf müssen auch die Eis-Kunden Rücksicht nehmen. Kurzfristig, vielleicht gar über das Wochenende, Großaufträge abzuarbeiten, das geht nicht.
Rund 30 Sorten hat die Eismeierei im Programm. Pro Tag können dort bis zu 400 Liter Speiseeis produziert werden, dazu kommen Eistorten. Auch mit exotischen Sorten wie Schoko mit Curry und scharfer Mangosauce wurde schon experimentiert. 2015 ist die Eisproduktion als Ausbildungsprojekt gestartet, seit 2020 wird im Werkstätten-Betrieb des evangelischen Sozialunternehmens produziert.
Drei Beschäftigte sind an dem Tag vor Ort, mixen Zutaten, kühlen die fertige Masse in einer Maschine auf die richtige Temperatur herunter, füllen Eis mit einer anderen Maschine in kleine Pappbecher. Per Hand wird Zucker und Zimt drauf gestreut. Dann werden die Eisbecher schockgefrostet, bekommen Banderolen und warten auf Auslieferung und Verkauf.
Alle drei haben davor schon in anderen Bereichen der Oberlin-Werkstätten gearbeitet, in der Aktenvernichtung, der Digitalisierung, der Fahrradwerkstatt, in der Montage von Lautsprechern und anderen Produkten. Dann sind sie in die Eismeierei gewechselt.
Patrick Salomon ist einer von ihnen. Der 45-Jährige hat in den 90ern eine Gastronomieausbildung im Berufsbildungswerk des Oberlinhauses gemacht und es dann auch auf dem regulären Arbeitsmarkt versucht. "Das war nicht so prickelnd", erzählt er: "Gerade im Gastrobereich." Viel Druck habe es dort gegeben, mit dem er nicht mehr habe Schritt halten können. "Hier ist alles gemächlicher", sagt der Mann im grasgrünen Shirt der Eismeierei.
Die Arbeit "draußen" hat krank gemacht
Seine Kollegin (56) erzählt, sie habe ganze 20 Jahre lang "draußen" gearbeitet, sei krank geworden. "Der erste Arbeitsmarkt ging nicht mehr", sagt sie. Auch der dritte Beschäftigte erzählt von Versuchen auf dem regulären Arbeitsmarkt. "Wir wollen ja draußen arbeiten", sagt der 40-Jährige: "Aber die tun sich mit uns Leuten schwer." Zu viel Druck, zu wenig Verständnis für die Einschränkungen der Betroffenen, er schaffe das nicht. "Hier gefällt's mir gut", sagt er über die Eismeierei: "Hier werde ich auch bleiben."
Dann wird das Eisfahrrad der Manufaktur in Gang gesetzt, das zum Außer-Haus-Verkauf eingesetzt wird. Auf der Wiese vor der Oberlinkirche gibt es an dem Tag Eis für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sozialunternehmens.