Annika Kringel kickt, seit sie vier Jahre alt ist. Seit 2022 spielt sie in der ersten Damenmannschaft beim Sportbund DJK Würzburg in der Bezirksoberliga. Ihr Beruf war für einige ihrer Mitspielerinnen eine Überraschung. "Ich weiß noch, als wir uns kennengelernt haben, haben wir zusammen ein Fußballspiel angeschaut. Ich habe das ganze Spiel lang geraten, was sie beruflich macht und bin erst ganz am Schluss darauf gekommen", erzählt Jule Biallaß.
In Karlstadt im katholisch geprägten Unterfranken ist die 28-jährige Kringel mit ihrem Nasenpiercing, den einseitig kurz rasierten Haaren und dem sportlichen Hobby nicht das, was sich viele unter einer Pfarrerin vorstellen. Gleichzeitig kommt sie sehr authentisch bei anderen jungen Menschen an und öffnet in der Pfarrei Main-Werntal Türen.
"Ich finde es gut, eine Pfarrerin zu haben, die uns vom Alter her nahe ist und mit der ich mich identifizieren kann", sagt Stephanie Bilic, deren kleine Tochter Annika Kringel im März getauft hat. "Es war eine ganz entspannte Atmosphäre, die Kinder durften in der Kirche herumlaufen und sie hat sich richtig viel Mühe mit der Predigt gegeben." Mit ihrer Pfarrerin könne sie über das reden, was ihr wichtig ist "und ich finde es schön, dass sie unsere Tochter begleitet".
Marc Bilic freut sich besonders, dass Kringel offen dafür war, sein Kind in derselben Kapelle zu taufen, in der auch sein Bruder vor 30 Jahren getauft wurde. Die moderne Pfarrerin hat schon einiges bei dem Ehepaar bewirkt. "Ich habe seitdem schon öfter darüber nachgedacht, mal wieder in den Sonntagsgottesdienst zu kommen", gibt Stephanie Bilic zu.
Kringel selbst freut sich über ihre Wirkung auf die Menschen in ihrem Alter und versucht gezielt, auf sie zuzugehen. Dabei kämen auch Fragen auf, auf die sie nicht immer die passende Antwort habe. "Ich sehe zum Beispiel, dass der Gottesdienst am Sonntagmorgen nicht mehr zum Lebensentwurf vieler Menschen passt. Für die hochverbundene Kerngemeinde ist er dagegen immer noch das Zentrum des Gemeindelebens."
Sie überlege immer wieder, wie sie diesen Spannungen begegnen kann. "Das wichtigste ist, dass Kirche bei den Menschen ist", sagt die Pfarrerin. Auch sinnstiftend sollte Kirche sein und nicht diskriminieren - egal, ob es um das Alter, die sexuelle Orientierung oder andere Aspekte des Lebens gehe. "Kirche ist bunt. Das ist für mich auch ein Statement."
Einblicke in ihren Arbeitsalltag und ihre Überzeugungen gibt die junge Frau auch auf ihrem Instagram-Account "pfarnikariat", den sie 2021 während des Vikariats mit einer Freundin zusammen gestartet hat. In kurzen Videos oder Bildern geht es um Themen wie Nächstenliebe, den Arbeitsalltag, aber auch ernste Themen wie Kirchenaustritte. Social Media bleibt dabei aber ein Hobby, das Spaß macht. "Mir geht es nicht darum, Follower zu generieren. Aber mir geht es darum, Menschen zu erreichen, die wir sonst hinter unseren Kirchentüren nicht erreichen können."
Noch einfacher geht das nur auf dem Fußballplatz. "Als ich damals erzählt habe, dass ich Pfarrerin werde, waren manche erst einmal irritiert. Aber dann hat es sie interessiert, warum ich das mache", erinnert sich Kringel. Irgendwann sei sie von Mitspielerinnen gefragt worden, ob sie ihre Kinder taufen kann, ein befreundetes Paar verheiratet sie im Herbst. "Sie freuen sich, wenn sie über mich eine Ansprechperson zur Kirche haben. Aber manchmal muss ich es auch deutlich trennen und sage dann: Heute spielen wir nur Fußball."