epd: Inwieweit und ab welchem Alter sollten die Kinder in Urlaubsüberlegungen und -entscheidungen einbezogen werden?
Wolfgang Hantel-Quitmann: Kinder bzw. die kindliche Sicht sollten immer in die Überlegungen einbezogen werden, in jedem Alter, nur sehr unterschiedlich. Auch bei Kleinkindern wissen Eltern etwas von den Vorlieben und Eigenarten eines Kindes, hier dient die elterliche Feinfühligkeit bzw. die Perspektive des Kindes als Orientierungshilfe. Dann sollten sich Eltern fragen, was das Kind gern macht und worüber es sich im Urlaub freuen würde.
Letztlich geht es aber immer darum, Kompromisse zu finden. Kinder brauchen zufriedene Eltern und Eltern brauchen zufriedene Kinder. Wenn Kinder sprechen und sie ihre Wünsche formulieren können, sollten diese in die Planungen einbezogen werden. Kinder entwickeln ab vier bis fünf Jahren eine Mentalisierungsfähigkeit, sodass sie die eigenen Sichtweisen von denen der Eltern unterscheiden lernen. Dann erfahren sie, dass andere Menschen auch anders denken und fühlen können, als sie selbst und lernen langsam, zu verhandeln.
"Bei pubertären Kindern kann die Urlaubsplanung anstrengend werden."
Mein fünfjähriger Enkel, mit dem ich jede Woche zum Fußballtraining gehe, möchte danach immer ein Eis essen, was ich aus zeitlichen Gründen manchmal nicht schaffe, also verhandeln wir und finden Kompromisse. Bei pubertären Kindern kann die Urlaubsplanung anstrengend werden. So ist eine Mutter, die mit der beim Vater lebenden 13-jährigen Tochter einen Kurzurlaub machen wollte, im Urlaub sehr frustriert gewesen, weil bei der geplanten Städtetour die Tochter vorwiegend shoppen wollte, während sie selbst Museen besuchen und Sightseeing machen wollte.
Wie sollten Eltern sich verhalten, wenn Kinder lieber bei dem alleinerziehenden Elternteil, bei dem sie normalerweise leben, bleiben und nicht mit dem anderen Elternteil verreisen möchten?
Hantel-Quitmann: Mit dem Kind sprechen, warum es dies nicht möchte. Bei älteren Kindern können die Freundinnen und Freunde wichtiger werden, es kann aber auch an den schlechten Erfahrungen des letzten Urlaubs liegen. Wenn allerdings das Kind jeglichen Urlaub mit dem anderen Elternteil ablehnt, weil es Konflikte und Probleme in der Beziehung gibt, dann ist die Urlaubsplanung das geringste Übel, denn dann muss nach den Hintergründen für die Beziehungsprobleme gesucht werden.
Wo sehen Sie bei solchen Urlauben mögliches Konfliktpotenzial und wie lässt sich dem bestmöglich begegnen?
Hantel-Quitmann: Wenn im Urlaub latent schwelende Konflikte zwischen den Eltern bzw. in den Familienbeziehungen angesprochen werden sollen, kann dies Druck und Widerstände auslösen. Oftmals sind es Restkonflikte aus der elterlichen Trennung oder der Umgang mit neuen Partnerinnen bzw. Partnern, die sich als Urlaubskonflikte herausstellen. Dann sind die Eltern gefordert, diese Konflikte zu lösen, notfalls auch mit professioneller Hilfe.
Was empfehlen Sie, wenn Kinder während des Urlaubs Heimweh nach dem alleinerziehenden Elternteil verspüren, bei dem sie normalerweise wohnen?
Hantel-Quitmann: Die modernen Kommunikationsmittel machen es möglich, mit dem vermissten Elternteil zu kommunizieren. Wer dies nicht fördert, sondern sogar unterbinden will, der erlebt den anderen Elternteil mindestens als Störfaktor nicht nur des Urlaubs, sondern der eigenen unbeschwerten Beziehung zum Kind. Auch hier gibt es anscheinend Restkonflikte in der elterlichen Beziehung, die nicht dem Kind zur Last gelegt werden dürfen. Wenn sich solche Konflikte bereits vor dem Urlaub abzeichnen bzw. zu erwarten sind, sollten sie am besten vorab in einem elterlichen Gespräch geklärt werden.
Zwischen einigen Trennungskindern und dem Elternteil, bei dem sie nicht aufwachsen, ist im Laufe der Zeit eine Entfremdung eingetreten. Wie kann ein Urlaub dieses Elternteils mit seinen Kindern dennoch für beide Seiten zu einem schönen, gelungenen Erlebnis werden?
Hantel-Quitmann: Die Art der Entfremdung ist bedeutsam. Hinreichend gute Eltern sollten dafür sorgen, dass eine solche Entfremdung erst gar nicht eintritt, weil die Kinder in der Regel beide Eltern lieben und eine lebendige Beziehung zu beiden Eltern leben wollen. Das "elterliche Entfremdungssyndrom" ist nicht selten ein Kampfbegriff verfeindeter Eltern vor Familiengerichten, mit dem die Konflikte mit dem anderen Elternteil aufrechterhalten und ausgefochten werden sollen. Aber das hat mit dem Kindeswohl selten etwas zu tun, eher mit Persönlichkeitsstörungen.
Welche Rolle spielen Geschwister beim Verreisen?
Hantel-Quitmann: Für alle angesprochenen Fragen gilt, dass die Geschwister bei allen Problemen oder Konflikten wichtige Hilfen bieten können, als vertrauensvolle Gesprächspartner, Unterstützer bei Krisen, emotionaler Beistand oder Konfliktumleitung. Die Eltern können sich trennen, aber die Geschwister bleiben ein Leben lang.