Statistik: Zahl der Rentner mit Sozialhilfe-Bezug auf Rekordhoch
Wagenknecht kritisiert Ampel - Versicherung verweist auf Freibeträge
Zunehmend mehr Rentnerinnen und Rentner in Deutschland erhalten zusätzlich Grundsicherung im Alter. Die Politikerin Sahra Wagenknecht sieht darin ein Zeichen für steigende Altersarmut. Die Rentenversicherung weist aber auf andere Ursachen hin.

Osnabrück, Berlin (epd). Die Zahl der Senioren in Deutschland, die zusätzlich zu ihrer Rente auf Sozialhilfe angewiesen sind, ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes auf ein neues Rekordhoch gestiegen. Das geht aus einer Übersicht des Amtes hervor, die von der Partei „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) im Bundestag angefragt worden war und die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt.

Im ersten Quartal 2024 bezogen danach 719.330 Senioren die sogenannte Grundsicherung im Alter. Das sei ein neuer Höchstwert und bedeute einen Anstieg um rund 35.000 gegenüber dem Vorjahr, hieß es. Zuerst hatte die „Neue Osnabrücker Zeitung“ (Donnerstag) über die Statistik berichtet.

Im März 2023 bezogen dem Bundesamt zufolge 684.360 Senioren Sozialhilfe. Im Vergleich zu 2015 bedeute die aktuelle Zahl einen Anstieg um rund 40 Prozent - im März 2015 hatten 511.915 Menschen im Rentenalter Sozialhilfe erhalten. Anspruch auf Grundsicherung im Alter haben Menschen, die eine bestimmte Altersgrenze, derzeit 67 Jahre, erreicht haben und deren Rente nicht für ihren Lebensunterhalt ausreicht.

BSW-Parteichefin Sahra Wagenknecht nannte den Befund im Gespräch mit der Zeitung „das nächste Armutszeugnis“ für die Ampel-Regierung. „Dass immer mehr Rentner auf Sozialhilfe angewiesen sind, zeigt, dass das deutsche Rentensystem viele alte Menschen zu entwürdigender Armut verdammt.“ Die Zahlen seien zudem nur die Spitze des Eisberges. „Denn viele Senioren hätten Anspruch, aber wollen sich die Demütigung ersparen, zum Sozialamt zu gehen.“

Das Rentensystem in Deutschland sei eines der leistungsschwächsten in Europa, kritisierte Wagenknecht: „Es produziert millionenfachen sozialen Abstieg im Alter.“ Als positives Beispiel nannte sie Österreich, wo ein langzeitversicherter Rentner im Schnitt 800 Euro im Monat mehr erhalte. Das müsse auch in Deutschland möglich sein.

Die Deutsche Rentenversicherung trat dieser Deutung der Zahlen entgegen. Pressereferent Dirk Manthey wies darauf hin, dass 2021 mit der Grundrente ein Freibetrag eingeführt worden sei, der nicht auf die Höhe der Rente angerechnet werde: „Damit ist der Kreis derjenigen, die Grundsicherung im Alter geltend machen können, einfach größer geworden.“

Außerdem seien 2022 Menschen aus der Ukraine nach Deutschland gekommen, die einen Anspruch auf Grundsicherung im Alter hätten. Manthey machte zudem auf einen statistischen Effekt aufmerksam: Eine wachsende Zahl der Rentner bedeute auch automatisch mehr Rentner mit wenig Geld. „Die Altersarmut ist nicht gestiegen“, betonte Manthey: „Die Regierung hat eher etwas dafür getan, dass Menschen, die mit ihrer Rente nicht auskommen, zusätzliches Geld erhalten.“