Experte: Wolfsgruß eindeutiges Symbol der türkischen extremen Rechten
03.07.2024
epd
epd-Gespräch: Franziska Hein

Bochum (epd). Der sogenannte Wolfsgruß ist nach Auffassung des Bochumer Politikwissenschaftlers Ismail Küpeli eine eindeutige Geste der rechtsextremen Grauen Wölfe. „Der Wolfsgruß ist in der Türkei sehr eindeutig als ein Symbol der türkischen extremen Rechten, der Grauen Wölfe, bekannt, sowohl bei den Anhängern als auch bei denen, die unter dieser Ideologie leiden, wie Aleviten, Kurden und Armenier“, sagte der Experte für türkischen Rechtsextremismus dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Der türkische Nationalspieler Merih Demiral hatte im Fußball-EM-Achtelfinalspiel zwischen der Türkei und Österreich am Dienstagabend beim Torjubel den Wolfsgruß gezeigt, die Geste danach aber als Ausdruck des Stolzes gerechtfertigt. Auf Versuche der Umdeutung als Freudengeste oder der Relativierung dürfe man sich nicht einlassen, sagte Küpeli.

In der Türkei seien die Grauen Wölfe praktisch Teil des Staates, erläuterte Küpeli. Die Regierungspartei AKP koaliere derzeit de facto mit der MHP, der Partei der Grauen Wölfe. In der Gesellschaft, in der Politik, in den Medien, aber auch im Sport seien die Grauen Wölfe fest verankert.

Auch in Deutschland seien die Grauen Wölfe eine relevante Kraft. Nach Schätzungen des Verfassungsschutzes gehören ihr etwa 12.000 Menschen an. Damit seien die Grauen Wölfe nach der AfD die zweitgrößte extrem rechte Kraft in Deutschland.

Küpeli forderte politische Maßnahmen gegen die Gruppierung und eine klare Positionierung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). In Frankreich seien die Grauen Wölfe als politische Bewegung verboten worden, in Österreich sei zumindest der Wolfsgruß verboten. „Ich verstehe, dass man jetzt die Forderung nach dem Verbot dieser Symbolik in Stadien ins Spiel bringt. Das reicht aber nicht aus, wenn wir ernst nehmen, dass es die zweitgrößte extrem rechte Bewegung in Deutschland ist“, sagte Küpeli.

In Westdeutschland seien die Grauen Wölfe lokal sehr gut verankert und verfügten über eine große Anhängerschaft, die in Teilen auch gewaltbereit oder gewalttätig ist. Vereinsverbote seien sicherlich ein Baustein.

Die Ideologie zielt laut Küpeli darauf ab, die Türkei ethnisch und religiös „rein und einheitlich“ zu machen. Dort richte sich ihre Ideologie ganz stark gegen die Bevölkerungsgruppen im Land, die als nicht türkisch deklariert würden. Damit seien etwa Kurden, aber auch alle Nichtmuslime gemeint. „Die Feindschaft richtet sich auch sehr stark gegen Christen und Juden, nicht nur in der Türkei, auch grundsätzlich.“

Man dürfe nicht den Fehler machen und glauben, in Deutschland sei nur eine Minderheit von den gruppenbezogenen Anfeindungen betroffen. „Die Ideologie der Grauen Wölfe als eine autoritäre, rassistische, nationalistische, antisemitische Ideologie richtet sich schlussendlich gegen Demokratie und Vielfalt überhaupt.“

Den Fußball nutze man nicht nur als Bühne für öffentliche Sichtbarkeit, sondern auch um junge gewaltbereite Männer zu erreichen. In Sportvereinen, die den Grauen Wölfen nahestehen, komme es zu Radikalisierung und Mobilisierung von jungen Männern für politische Gewalt. Jenseits eines Verbots der Grauen Wölfe in Deutschland wünsche er sich auch hier ein stärkeres Gegenhalten der Gesellschaft.