Alfred Opiolkas Geschäft gehört vermutlich zu den originellsten in der Lindauer Altstadt. Dabei ist die Stadt an Sehenswürdigkeiten reich. Kommen die Touristen an den Schaufenstern von Opiolkas Laden vorbei, staunen sie trotzdem. Manche sind fasziniert von dem Sarg, der heiter wie eine Blumenwiese bemalt ist - andere wirken irritiert und huschen weiter.
Wenn der 64-Jährige morgens seinen Laden mit den bemalten Totenkisten und Wandgemälden aufsperrt, legt er erst einmal Musik auf. Plötzlich schallen Arien von Puccini durch die Schneeberggasse. "Musik reinigt die Gasse", sagt er, "ich will hier einen Friedensraum schaffen". Mit Friedensräumen und friedlichem Übergang hat auch seine Arbeit zu tun. Seit knapp 20 Jahren bemalt er schlichte sechseckige Särge, die ihm ein Schreiner aus Franken schickt. Sie sind aus Fichte oder Kiefer. Der Deckel ist aufgesetzt und nicht verschraubt.
"Einen Friedensraum schaffen"
Drei Tage dauert die Bemalung eines Holzsargs. Dann ist nicht nur der Deckel bunt - auch die Seiten werden bemalt. Nur der Boden bleibt frei von Acrylfarbe. Opiolkas beliebtestes Modell ist die "Blumenwiese", auf dem vor weißem Hintergrund die Pflanzen eines Bauerngartens blühen. "Den verkaufe ich am häufigsten", sagt der Maler. Ein Sarg sei nicht nur eine Kiste, mit der ein Mensch "rausgeht" aus der Welt. Er sei "Bedeutungsträger". Während sich der Kasten in die Tiefe des Grabs senkt, sende seine Bemalung "ein Zeichen der Hoffnung".
Auf Hoffnung verweist auch das andere Modell mit Schmetterlingen, das im Schaufenster steht. Mit keinem anderen Tier hat sich Opiolka so intensiv beschäftigt, keines malt er so häufig. Für ihn sind Schmetterlinge ein Zeichen für den Kreislauf des Lebens. Zugleich sind die Insekten Symbole der Wandlung und Verwandlung. Sie durchlaufen einen Zyklus, der von der Larve über die Raupe bis zur Puppe reicht, die sich schließlich zu einem Schmetterling entwickelt.
Auch schon auf alten Grabsteinen sind die Tiere als Gravur zu sehen, erzählt er.
All diese Dinge erklärt er seinen Kunden in langen Gesprächen. Immer ohne Hetze. Er versteht sich auch als Trauerberater. Er rät etwa von Trauerrednern ab. "Was weiß er schon von dem Toten?" Wichtiger wäre, selbst das Wort zu ergreifen, anstatt die letzten Worte an einen bezahlten Redner zu delegieren. "Die Arbeit mit den Särgen hat mich verändert", sagt er. Er habe genug lieblose Begräbnisse erlebt. Im Allgäu, wo er aufwuchs und lange lebte, stand das leere Ritual im Vordergrund. Das will er mit seinen bunten Särgen ändern.
"Der Tod ist grün", sagt der Sargmaler. So lautet auch der Titel seines Buchs, in dem er seine Erfahrungen mit dem Abschied beschreibt. 3.800 Euro kostet das Sarg-Modell mit den gemalten Blumen. Im Schnitt verkauft er ein Exemplar pro Monat. Manches Stück muss er in größter Eile mit Blüten und Blättern versehen. Der Aufwand des Bemalens lohne sich - auch wenn der Sarg im Boden vergänglich ist. "Meine Särge sind nicht kaputtbar", sagt der Maler. Auch wenn der Kasten verrotte, präge sich das Bild fest im Kopf ein.
Opiolka ist ein religiöser Mensch: "Ohne Jesus geht es nicht." Eine kirchliche Bindung verspüre er zwar nicht, doch durchziehe seine Malereien die Sehnsucht nach einem Leben nach dem Tod. Für sein eigenes Ableben hat er mit seinem Mann schon einiges beredet. Natürlich will er in den Sarg mit den Schmetterlingen gebettet werden, mit viel Wiesenheu als Unterlage. "Und dann sollen alle das Leben feiern mit sehr gutem Rotwein." Die Worte "sehr gut" betont er.