Die dreiteilige Serie "For the Drama" beginnt ganz ähnlich. Zufällig hört ein Mann, wie eine Frau hinter einer verschlossenen Tür lustvolle Befriedigung erfährt. Das ist witzig; bis die Tür aufgeht und seine Freundin rauskommt. Fortan weidet sich die Kamera förmlich daran, das Leid dieses Mannes vorzuführen: Gabriel (Eidin Jalali) wollte Rosa (Marie Nasemann) just an diesem Tag einen Antrag machen, sein Freund Alfred (Wilson Gonzales Ochsenknecht) hat ihm einen Verlobungsring besorgt; das hat sich nun erledigt, zumal das Schmuckstück kurz drauf in Folge eines Wutausbruchs im Pissoir versinkt.
Das klingt nach einem ganz normalen Beziehungsdrama mit komischem Potenzial, und mehr ist es im Grunde auch nicht. Zu einer dennoch äußerst ungewöhnlichen Produktion wird die insgesamt knapp neunzig Minuten lange Serie durch den Schauplatz und die Mitwirkenden jenseits der zentralen Figuren: "For the Drama" ist während der echten Vorbereitungen für eine Neuaufführung der Johann-Strauss-Operette "Die Fledermaus" in der Bayrischen Staatsoper gedreht worden. Gabriel und Rosa sind die Zweitbesetzung für die beiden Hauptrollen, stehen während der Proben entsprechend weniger oft auf der Bühne und haben daher genug Zeit, um an ihrer bloß noch aus Bruchstücken bestehenden Beziehungskiste herumzuzimmern. Damit diese Aufgabe noch ein bisschen schwieriger wird, haben sich David L. Brenner und Kristian Wolff (Idee und Drehbuch) ein paar zusätzliche Herausforderungen einfallen lassen: Rosa, eindeutig ehrgeiziger als ihr Freund, hat sich am Sydney Opera House beworben und dort ein Engagement für die kommenden zwei Jahre bekommen. Bereits in sechs Wochen beginnen die Proben für Mozarts "Zauberflöte", sie wird die Königin der Nacht singen. Allerdings hat sich etwas ereignet, das sowohl die Karrierepläne durchkreuzen wie auch den Beziehungsstatus gravierend verändern könnte. Und dann ist da ja noch die Frage, wer sich hinter der Affäre verbirgt, der sie aktuell frönt.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Die streckenweise improvisierte Serie ist im Auftrag von ARD Kultur entstanden und trägt das Etikett "Real-Life-Fiction". Tatsächlich erweisen sich die drei Folgen als gänzlich neue Form des Dokudramas: Regisseur Ingo J. Biermann mischt Spielszenen mit dokumentarischen Elementen, die jedoch Teil der Handlung sind, weil sich Eidin Jalali und Marie Nasemann im Rahmen ihrer Rollen mit den führenden Köpfen der Staatsoper unterhalten, darunter auch Intendant Serge Dorny. Das ist gleich doppelt reizvoll, weil Generalmusikdirektor Vladimir Jurowski die Zusammenarbeit zwischen ihm selbst als Dirigent und dem Regisseur (Barrie Kosky) mit einer Beziehung vergleicht: Man müsse nicht in allen Punkten übereinstimmen, so lange man ein gemeinsames Ziel habe; das Schlimmste für alle Beteiligten sei ein Rosenkrieg. Darüber hinaus geht es in der "Fledermaus" um ganz ähnliche Motive wie in der Handlung der Serie: enttäusche Liebe und Rache. Gleich mehrfach versuchen Gabriel und Rosa einen neuen Anlauf, aber die Gespräche scheitern regelmäßig, weil ihnen das Drehbuch zwischenzeitlich neue Steine in den Weg gelegt hat. Die Namen der vergeblich Liebenden sind selbstredend kein Zufall: Die Operettenhauptfigur heißt Gabriel, seine Gattin Rosalinde, ihr einstiger Verehrer Alfred.
Dokumentarisch und nicht minder spannend sind die Blicke hinter die Kulissen, weil die Kamera (Nina Wesemann, Chris Hirschhäuser) zwischendurch immer wieder ausgiebig durch die Räumlichkeiten der Staatsopfer streift und den Kulissenbauern bei der Arbeit zuschaut. Die Aufnahmen von den Proben sind ähnlich interessant, und das keineswegs nur für Freundinnen und Freunde der Operette, selbst wenn Biermann natürlich viel Musik aus der "Fledermaus" verwendet hat. Darstellerisch ist "For the Drama" gleichfalls sehenswert, allerdings müssen sich Jalali und Nasemann diese Meriten mit Vivien König teilen: Sie spielt als Assistentin des Regisseurs nicht nur in der Rahmenhandlung eine entscheidende Rolle und hat kürzlich nach der heiteren "Inga Lindström"-Romanze "Die vergessene Hochzeit" auch in einer "Marie Brand"-Episode ("Marie Brand und die verfolgte Braut", beide 2024) gezeigt, dass von ihr noch viel zu sehen sein wird. 3sat zeigt die drei Folgen hintereinander, die Miniserie steht außerdem bereits in der ARD-Mediathek.