"Der Friedhof ist ein Ort der Zukunft. Hier verbindet sich der Abschied mit dem Neuen, das Innehalten mit dem Neuanfang. Eigentlich sind Friedhöfe Kraftorte, und sie können es für die Gesellschaft, für die Städte und Gemeinden, wieder werden. Dafür sollten wir bei ihrer Gestaltung künftig stärker auf die Psychologie der Trauer eingehen." So fasste Zukunftsforscher Matthias Horx (Wien), laut Pressemitteilung der Stone+tec Nürnberg / Blaurock, die Diskussion junger Experten zum Friedhof der Zukunft zusammen.
Für Anna-Nicole Heinrich, die sich über die Diskussion mit jungen Menschen über eine mögliche Veränderung der Bestattungskultur freute, sind "Friedhöfe nicht nur Ruheplatz für die Toten, sondern auch wichtig für uns Lebende – als Orte, um Abschied zu nehmen, Erinnerung zu teilen, Geschichten zu erzählen und Leben zu feiern. Die Zukunft dieser Orte und die Art und Weise, wie wir mit dem Abschiednehmen umgehen, bewegen uns auch als evangelische Kirche." Für sie, gelte es, diese Orte des Abschiedsnehmens lebendig und relevant zu halten.
Die Diskussionrunde fand vergangene Woche auf dem "Zukunfts-Congress" der Nürnberger Fachmesse Stone+tec statt. Ebenfalls dabei waren laut Presseerklärung der Fachtagung, Karin Gansloser (27), eine der jüngsten Bürgermeisterinnen Deutschlands, die Steinmetzinnen Luisa Lüttig und Melanie Seidl (25, 35) und Deutschlands jüngste Bestatter-Meisterin Emily Maichle (24). Friedhöfe könnten ihnen zufolge viel stärker als bisher Orte neuer Zuversicht für den Einzelnen und Quelle eines neuen gesellschaftlichen Zusammenhaltes werden.
Karin Gansloser (27), Bürgermeisterin aus Schlat (Baden-Württemberg) formulierte ihre Vorstellung laut Erklärung so: "Wir sollten den Friedhof wie ein offenes Bürgerhaus zum Wohlfühlen sehen und gestalten – und ihn den Menschen als ein gemeinsam zu nutzendes Gemeindehaus ohne Konsumzwang, jedoch mit vielen privaten Räumen anbieten." Sie konzipiere ihren örtlichen Friedhof derzeit bereits neu, sagte sie.
Blickwechsel im Umgang mit Trauernden
Der Friedhof wurde von den jungen Experten als potentiell heilsamer Raum der Begegnung und des gesellschaftlichen Miteinanders verstanden. "Wenn ein Mensch stirbt, hinterlässt er bei seiner Familie und Freunden eine große Lücke. Ein Grab hilft, den Schmerz des Verlusts zu verarbeiten, weil man an diesem Ort dem Verstorbenen immer wieder ganz nah sein kann", sagte Melanie Seidl, Steinmetz-Europameisterin 2012 und Fachlehrerin aus Österreich. Dieser Ort sei daher nicht nur für die Familie wichtig, sondern auch für Freunde, Bekannte und Kollegen, denen damit eine Möglichkeit gegeben wird, ihrer Erinnerung an den Verstorbenen Ausdruck zu geben, sagte sie laut Mitteilung weiter. "Mir ist es wichtig, nicht nur Jugendlichen, sondern auch Kindern den Umgang mit Trauer, Friedhofskultur und Tod zu unterbreiten. Der Tod darf kein Tabu und der Friedhof nicht negativ behaftet sein. Das Vorbild zählt – wie Erwachsene Kindern den Umgang mit dem Tod vorleben, so nehmen sie diese Erfahrungen auch mit. Trauererfahrungen der Kindheit sind prägend für das Leben."
Unter anderem spielen die therapeutischen Wirkkräfte, die als Trauerorte gestaltete Beisetzungsorte haben können, eine wesentliche Rolle sagte, Prof. Dr. Dr. Michael Lehofer, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, Ärztlicher Direktor im Landeskrankenhaus Graz II in einem in die Diskussion eingebundenen Fachvortrag. Friedhöfe können, so zitiert ihn die Mitteilung, als heilende Räume aus seiner Sicht wirken, die es den Hinterbliebenen ermöglichen, ihren Verlust zu verarbeiten und neuen Lebensmut zu schöpfen. Er sei sicher: Kommunen und Kirchen könnten so ihrer Fürsorgeverantwortung viel besser gerecht werden, als bisher.
Friedhof menschenzugewandt denken
Günter Czasny, Sprecher der Initiative Raum für Trauer und Initiator interdisziplinärer Projekte zur Friedhofsentwicklung und Forschungsprojekte, der ebenfalls mit einem Fachbeitrag einen Impuls setzte, ergänzte ihn laut Mitteilung: "Wenn wir gemeinsam die Friedhöfe menschenzugewandt in die Zukunft entwickeln, werden diese innerhalb der Stadtentwicklung ein Raum für die persönliche Trauer und ein Begegnungsort, der das soziale Füreinander, das gesellschaftliche Miteinander und den Zusammenhalt der Menschen in den Kommunen und Gemeinden fördern und stärken kann."
Es gelte, so sagte es Czasny, die Trauerkompetenz der Kommunen und Kirchen neu zu entdecken. In einer Zeit, in der Gemeinschaft und sozialer Zusammenhalt immer wichtiger werden, könne der Friedhof als Caring Infrastructure (fürsorgliche Infrastruktur) zunehmender Einsamkeit entgegenwirken und zum neuen sozialen Kern unserer Kommunen werden. Dabei nahm er Bezug auf das im Mai vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vorgelegte Einsamkeitsbarometer 2024.
Für Luisa Lütting, so zitiert sie die Mitteilung, sind Tod und Trauer Bestandteile des Lebens und der örtliche Friedhof gehöre aus ihrer Sicht dazu. "Dort wird sichtbar, wie eine Gesellschaft tickt. Ich habe den Eindruck, heute will es niemand mehr wahrhaben. Dies nicht sehen zu wollen, nützt niemanden. Der Friedhof ist nicht nur ein schönes ‚Endlager‘ – er kann mehr!" Ziel müsse es sein, zwar kontrovers zu diskutieren dabei aber an einem Strang zu ziehen und mit konstruktiven Vorschlägen die Zukunft gestalten, sagt , das muss unser Ziel sein", sagte sie.
Emily Maichle (24), Bestattermeisterin in Geislingen sieht eine gewisse Zweiteilung des Friedhofes für die Zukunft. Laut Mitteilung sagte sie: "Ein Friedhof kann ein Spannungsfeld sein. Hier die privaten Beisetzungsorte, dort der öffentliche Raum. Machen wir ihn zukünftig zu einem selbstverständlichen Teil des Alltags, ohne seine primäre Funktion als Ort der Trauer und des Abschiednehmens zu vergessen." Wichtig sei es aus ihrer Perspektive weiterhin die Digitalisierung der Welt mit in den Blick zu nehmen: "Auf Friedhöfen sollten wir in Zukunft eine sensible, für (trauernde) Menschen dienliche Verknüpfung schaffen zwischen der analogen Welt von gestern und der digitalen Welt von morgen", wird sie in der Mitteilung zitiert.