Schild mit Asylhinweis
Uli Deck/dpa
Pläne zur Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten sollten nicht weiter verfolgt werden, appelliert unter anderem die EKD.
Weltflüchtlingstag
Auslagerung von Asylverfahren ist keine Option
Die Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz diskutiert heute (20. Juni) darüber, ob Asylverfahren und Flüchtlingsschutz an Staaten außerhalb der EU ausgelagert werden können. Die Evangelische Kirche in Deutschland, Diakonie Deutschland und weitere Organisationen fordern Politiker auf, den Auslagerungsplänen eine klare Absage zu erteilen.

Anna-Nicole Heinrich, Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, sagt in einer Presseerklärung: "In jedem Menschen in Not, in allen Geflüchteten dieser Welt begegnet uns Christus. Sich der eigenen Verantwortung für notleidende Menschen zu entziehen, indem man die Aufgabe anderen, ärmeren Staaten aufbürdet, ist unverantwortlich, unrechtmäßig und dazu unrealistisch." Es schaffe das Flüchtlingsrecht de facto ab, so Heinrich in einer gemeinsamen Erklärung mit der Diakonie und Brot für die Welt.

"Der individuelle Zugang zum Flüchtlingsschutz ist eine wertvolle gemeinsame Errungenschaft", so Heinrich, "aus der bitteren Erfahrung des Zweiten Weltkriegs und der Shoah. Weltweit glauben Christinnen und Christen an einen Gott, der als Flüchtlingskind zur Welt kam und uns sagt: ‚Was ihr einem meiner geringsten Geschwister getan habt, das habt ihr mir getan‘ (Mt 25,40)." Und weiter: "Als Christ:innen können wir nicht anders, als uns für politische Lösungen einzusetzen, die die Menschenwürde und Menschenrechte zum Maßstab nehmen. Abschottung, Ausgrenzung und Entrechtung muss eine klare Absage erteilen werden."

"Die Pläne, Asylverfahren an Drittstaaten auszulagern, sind unsolidarisch und menschenrechtlich bedenklich", sagt Dagmar Pruin, Präsidentin von Brot für die Welt, in einer Pressemitteilung. "Zudem sind sie realitätsfremd. Berichte unserer internationalen Partnerorganisationen legen nahe, dass Deutschland keine Länder finden wird, die zur Aufnahme einer größeren Anzahl von Geflüchteten aus Europa bereit sind."

Mit Blick auf die neuen Höchstwerte – laut UN sind derzeit 120 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht – ergänzt Pruin in der Mitteilung: "Die globalen Herausforderungen im Flüchtlingsschutz werden immer größer. Die Antwort darauf kann nicht lauten, sich schrittweise aus dem Flüchtlingsschutz zurückzuziehen." Anstatt viel Zeit und Geld in die Umsetzung unrealistischer und gefährlicher Modelle zu investieren, sollten diese Mittel dazu verwendet werden, um Flüchtende in den Erstaufnahmeländern ebenso wie in Deutschland zu unterstützen.
 
Auch Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch ist dieser Meinung: "Als Organisation, die sich für den Flüchtlingsschutz in Deutschland einsetzt, wissen wir, dass Aufnahme und Integration auch in herausfordernden Zeiten gut funktionieren, wenn wir alle an einem Strang ziehen", sagt Schuch in der Pressemitteilung. "Wir stehen fest zur unbedingten Achtung der Menschenwürde und zum Recht auf Asyl in Deutschland", so Schuch. Das bedeute, dass schutzbedürftigen Menschen in Deutschland Schutz gewährt und diese Verantwortung nicht auf außereuropäische Drittstaaten abgewälzt werden solle. "Wir wollen auch weiterhin durch die tägliche Arbeit unserer Migrationsfachdienste unseren Beitrag zu einer Willkommenskultur leisten und schutzbedürftigen Menschen das Ankommen, das Fußfassen, den Spracherwerb und die Integration in den Arbeitsmarkt erleichtern."

Vor dem heutigen Treffen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Regierungschefinnen und -chefs der Länder hatten mehr als 300 Sozial- und Menschenrechtsorganisationen appelliert, die Pläne zur Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten nicht weiter zu verfolgen. Diese Pläne funktionierten in der Praxis nicht, seien "extrem teuer" und stellten "eine Gefahr für die Rechtsstaatlichkeit dar", hieß es in dem am Mittwoch (19. Juni) veröffentlichten Schreiben. Auch der für das Spitzentreffen erstellte Prüfbericht des Bundesinnenministeriums zählt vor allem Bedenken gegen die Umsetzung solcher Pläne auf. Eindeutig positioniert hat sich die Bundesregierung bislang aber nicht.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte den Bundesländern im vergangenen Jahr zugesichert zu prüfen, ob die Prüfung von Asylverfahren auch in Drittstaaten möglich ist. Das Bundesinnenministerium hatte in der Folge 24 deutsche Sachverständige sowie Experten aus anderen Ländern angehört. Am heutigen Donnerstag beraten die Regierungschefinnen und -chefs der Länder mit Scholz über das inzwischen vorliegende Zwischenergebnis.