Eine Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrates wirft sowohl Israel als auch der Hamas Kriegsverbrechen im Nahost-Konflikt vor. Beide Seiten sind laut einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht der Kommission für Angriffe auf Zivilisten verantwortlich. Die Vertretung Israels bei den Vereinten Nationen in Genf wies die Vorwürfe zurück.
Konkret prangert die bereits 2021 vom Menschenrechtsrat eingesetzte Kommission in ihrem Bericht unter anderem den Einsatz schwerer Waffen durch Israel in dicht besiedelten Gebieten im Gaza-Streifen an. Dabei handele es sich um einen vorsätzlichen Angriff auf die Zivilbevölkerung.
Auch die Abriegelung des Gaza-Streifens komme einer "kollektiven Bestrafung" der Zivilbevölkerung gleich, heißt es in dem 21-seitigen Report. Israel habe die Unterbrechung der Lieferung von Wasser, Nahrung und Treibstoff für strategische und politische Gewinne genutzt. Die Menschenrechtsexperten heben hervor, dass die von Israel erlassenen Evakuierungsanordnungen ungenügend und unklar gewesen seien.
Auslöser des Nahost-Krieges war der Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober. Israel reagierte mit einem massiven Beschuss des Gaza-Streifens und drang mit Bodentruppen in das Gebiet ein. Der Militäreinsatz stößt unter anderem wegen der humanitär katastrophalen Lage in dem Küstenstreifen international zunehmend auf Kritik.
Die Untersuchungskommission wirft auch der Hamas sowie sechs weiteren bewaffneten palästinensischen Gruppen Kriegsverbrechen vor, darunter die Tötung von Zivilisten, Folter und die Entführung von Geiseln. Auch das Abfeuern Tausender Geschosse auf israelische Städte sei ein Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht. Zudem hätten Kämpfer palästinensischer Gruppen sexualisierte Gewalt gegen Zivilistinnen und Mitglieder der israelischen Sicherheitskräfte verübt.
Die Vorsitzende der Untersuchungskommission, Navi Pillay, mahnte die Einhaltung des Völkerrechts an. Dies sei der einzige Weg, um die "wiederkehrenden Zyklen der Gewalt" zu stoppen, erklärte Pillay. Alle für Verbrechen Verantwortliche müssten zur Rechenschaft gezogen werden.
In Israel sorgte der Bericht für Empörung. Man weise die "unmoralischen Anschuldigungen" gegen seine Streitkräfte zurück, erklärte die ständige Mission des Landes bei den Vereinten Nationen in Genf auf der Internetplattform X, ehemals Twitter. Die israelischen Streitkräfte handelten in Überstimmung mit internationalem Recht.
Der Report ist den Angaben zufolge Ergebnis der ersten umfassenden UN-Untersuchung der Ereignisse am und nach dem 7. Oktober. Er beruht auf Interviews mit Opfern und Zeugen sowie der Auswertung Tausender Daten, darunter Satellitenbilder und forensische Analysen. Der Menschenrechtsrat mit Sitz in Genf hatte die Kommission 2021 ins Leben gerufen, um Menschenrechtsverletzungen in den palästinensischen Gebieten und Israel zu untersuchen.
Der Nahost-Krieg beschäftigt auch internationale Gerichte. Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hatte Ende Mai einen Stopp der israelischen Militäroffensive auf Rafah im Süden des Gaza-Streifens angeordnet.