Felix kehrt zu seiner zuvor gen Boston entschwundenen, nun jedoch heimgekehrten Freundin zurück, mit der er zuvor bereits acht Jahre lang zusammen gewesen ist; dabei hatte die schwangere Frida bereits Visionen des vollkommenen Glücks. Mit der Trennung beginnt dieses tragikomische Regiedebüt von Laura Lehmus jedoch erst. Die unbeschwerten Szenen zu Beginn bilden bloß den Prolog, denn nun erzählen die gebürtige Finnin und die vielfach ausgezeichnete Drehbuchautorin Ruth Toma ("Ein Lied von Liebe und Tod", "Solino") eine ganz andere Geschichte: "Sweet Disaster" ist keine Romanze, sondern entpuppt sich als Freundschaftsfilm.
Erst die Trennung öffnet Frida (Friederike Kempter) für die Bedürfnisse von Nachbarschafts-Teenager Yolanda (Lena Urzendowsky). Anfangs mögen ihre Motive noch eigennütziger Natur sein, denn das in technischen Dingen sehr beschlagene Mädchen besitzt eine Drohne, mit der sich Felix (Florian Lukas) perfekt nachspionieren lässt. Frida hofft immer noch, dass sich der Pilot eines Besseren besinnen könnte, muss aber enttäuscht feststellen, dass er mit seiner Freundin Natalie (Diana Ebert) exakt die gleichen Dinge erlebt wie zuvor mit ihr.
Weil ihre Sehnsucht zwar nach wie vor Motor der Handlung, aber offenkundig unstillbar ist, hat der auf einigen kleinen Festivals preisgekrönte Film Zeit für andere Themen, denen Lehmus und Toma nun mehr und mehr Zeit widmen: Frida ist vierzig, die Schwangerschaft also mit entsprechenden Risiken verbunden. Tatsächlich leidet sie nicht zuletzt wegen der emotionalen Belastung unter erheblichem Bluthochdruck, aber die nötigen Medikamente könnten dem Baby schaden. Gleichzeitig wird die Beziehung zur Nachbarin immer inniger, denn die etwas sonderbare, aber liebenswerte Yolanda hat ebenfalls einen Traum: Das Mädchen hat sich zum Leidwesen der Mutter, die sich ein Leben ohne die Tochter nicht vorstellen kann, um ein Stipendium für eine Technical Highschool in Kanada beworben. Eine weitere Ebene gilt Fridas Arbeit in einer inklusiven Kindertagesstätte, wo sie sich besonders um einen kleinen Jungen kümmert, der regelmäßig ohne Frühstücksbrot in die Kita kommt. Seine offenkundig überforderte alleinerziehende Mutter verbittet sich allerdings jede Einmischung.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Neben der facettenreichen Geschichte zeichnet sich der beschwingt inszenierte Film vor allem durch eine Vielzahl verblüffender Drehbuchideen und eine liebevolle Umsetzung aus. Immer wieder lassen sich Details entdecken, die große Freude machen; schon allein die von Yolanda kreierten Vorrichtungen verraten die enorme Sorgfalt im Detail. Ausstattung und Kostümbild sorgen ohnehin für eine ansteckende Wohlfühlatmosphäre: Im Gegensatz etwa zu Felix und Natalie ist Frida betont farbenfroh gekleidet; auch Szenenbild und Lichtarbeit setzen kunterbunte Akzente.
Sehr sympathisch sind zudem die immer wieder spielerisch integrierten Visionen und Tagträume: Felix’ Reaktion auf die Schwangerschaft ist verständlicherweise verhalten. Wie sich Frida das ausgemalt hat, verdeutlichen Dutzende aus dem Fenster quellende Luftballons. Später faltet sich ein Antragsformular selbstständig zum Papierschiff und schwimmt davon. Für gute Laune steht Kita-Busfahrer Jack (Lasse Myhr), in dessen uraltem Gefährt sich die Kinder allmorgendlich an alten "Baywatch"-Episoden erfreuen; kleiner Knüller ist ein Gastauftritt von David Hasselhoff, als Frida eine spontane Party gibt, um Yolandas Stipendium zu feiern.
Zwischendurch konterkarieren Lehmus und Toma die Heiterkeit jedoch immer wieder durch nachdenkliche Kontrapunkte. Das gilt nicht nur für Fridas Angst um ihr Baby und ihre Trauer darüber, Felix verloren zu haben: Sie führt regelmäßig auf Finnisch Telefonate mit ihrem Vater. Die kluge Yolanda kommt ihr jedoch auf die Schliche, als sie bei einer gemeinsamen Wanderung eins der Gespräche mithört: In der Gegend gibt es gar kein Netz. Fridas Alltag wird durch permanenten Baustellenlärm belastet; das Pressluftgewitter lässt mitunter das ganze Haus erzittern. Als sie sich beschweren will und dabei aussperrt, wird Yolanda mit ihrer Drohne zur Retterin in der Not; so lernen die beiden sich kennen. Dass Fridas Leben nicht immer gradlinig verläuft, verdeutlicht schon das erste Bild, als sich ihr knallroter Rucksack auf dem Flughafenförderband verhakt und einen Gepäckstau verursacht.