Hand einer Mutter umfasst Hand eines Babys
Aditya Romansa/Unsplash
Eliport stellt drei Bücher zum Thema Mutterschaft vor.
Blick in die Literatur
Buchtipps zum Thema Mutterschaft
Mutterschaft hat viele Facetten. Noch immer werden an Mütter besondere Ansprüche gestellt, stehen Mütter unter einer besonderen Beobachtung in der Öffentlichkeit, wird um Erziehung und Mutterschaft viel diskutiert und gestritten. Das Evangelische Literaturportal stellt heute drei Romane vor, die sich mit den unterschiedlichen Perspektiven auf Mutterschaft auseinandersetzen.

Eva

Was heißt es Mutter zu werden, was heißt es sich gegen Kinder zu entscheiden?

Die Autorin lässt vier Frauen in jeweils einem Kapitel ihre Geschichte erzählen. Im Mittelpunkt stehen zwei Schwestern, ihre gemeinsame Kindheit, ihr unterschiedliches Leben, ihre sich verändernde Beziehung, ihre unterschiedlichen Sichtweisen, ihre Partner, aber vor allem die Kinderfrage. Sina tut alles, um ein Kind zu bekommen und erlebt eine quälende Zeit. Mona ist mit drei kleinen Kindern am Rande ihrer Kräfte. Die beiden anderen Frauen kreuzen ihr Leben nur kurz: die eine lehnt es ab, angesichts der Klimakatastrophe Kinder in die Welt zu setzen, die vierte muss Krankheit und Verlust ihres Kindes allein bewältigen.

Verena Kessler scheut sich nicht, Themen anzusprechen, die wir lieber verdrängen würden. Sie nimmt Ängste und Bedenken von zukünftigen Eltern ernst. Aber sie erzählt so klug und differenziert, so einfühlsam und genau, ohne jedes Pathos, dafür mit Humor und Leichtigkeit, dass am Ende vor allem Zufriedenheit bleibt: Es ist alles gesagt. Die Entscheidung liegt bei jeder einzelnen.

Ein gut lesbarer Roman zum Thema Kinderwunsch für junge Frauen (oder deren Mütter), der Verständnis für viele Positionen ermöglicht. Sehr empfohlen! 
Angelika Barth 

Kessler, Verena: Eva. Roman. Hanser Berlin 2023. 199 S.  
ISBN 978-3-446-27588-1, geb.: 24,00 Euro.

Institut für gute Mütter

Dystopischer Roman über Mutterschaft und Erziehung.

Frida Liu hat einen schlechten Tag und lässt ihre Tochter Harriet zwei Stunden allein. Ihr Nachbar zeigt sie bei der Kinderschutzbehörde an – und für Frida beginnt eine neue Zeitrechnung: Tage, seit sie ihr Harriet weggenommen haben und Tage, seit sie ihre Tochter zum letzten Mal gesehen hat. Zusammen mit weiteren Müttern, vor allem Women of Color, kommt sie in das "Institut für gute Mütter". Aufopferungsvoll und empathisch, ohne eigene Bedürfnisse, dafür mit perfekten Sekunden-Umarmungen; mithilfe ihrer KI-Puppe Emmanuelle (und weiteren fragwürdigen Methoden) soll Frida dort lernen, eine gute Mutter zu sein. Antiquierte Rollenbilder, Empathielosigkeit und totalitäre Überwachung prägen das düstere Szenario. Weitere Themen wie Rassismus oder die Ungleichbehandlung der Väter werden als Meta-Ebene eingeflochten. Jessamine Chans Roman regt zum Nachdenken darüber an, was eine gute Mutter und gute Erziehung ausmacht und wozu Menschen fähig sind.

Leseempfehlung, ganz besonders für Fans von "Report der Magd" und "Orange is the new Black". Roman mit Pageturner- und Wutpotenzial.
Sofie Fiebiger 

Chan, Jessamine: Institut für gute Mütter. Roman. Berlin: Ullstein 2023. 426 S. ISBN 978-3-550-20133-2, geb.: 22,99 Euro.

Mutters Stimmbruch

Über das Altern, den Herbst, den Winter und den Frühling danach. Über Zähne, Wurzeln und das Finden der eigenen Stimme.

Mutter ist mindestens 60, lebt allein im alten Haus, die Kinder längst fort, ihr einziges Gegenüber das knackende Radio. Ihre Stimme ist brüchig und knarzt. Sie liebt ihren Garten, das blaue Bad mit Wanne, die Schwerelosigkeit ihrer "Wasserbrüste" darin, den Keller mit dem Heizkessel. Sie hasst die Zeitumstellung auf Winterzeit, erst wackeln ihre Zähne, dann fallen sie ihr aus. Ein Wasserschaden zwingt Mutter zum Umzug in eine Wohnung in der Stadt. Keine Wanne, kein Garten. Mit den dritten Zähnen zieht eine neue Stimme in ihr ein, die sie behutsam erprobt. Dafür begibt sie sich in Telefonzellen und findet neben ihrem neuen Bass Erotik bei der Nebenauskunft. Mutter wird wieder lauter, selbstsicherer, singt vom Dreimeterbrett und trotzt sogar dem Winter.

Ein herrlich absurder Roman voll Sprachfreude und Tiefgang mit zugleich schräger und liebenswerter Protagonistin. Mit viel Symbolismus geht es um Einsamkeit und um die Sehnsucht nach Wurzeln, nach Meer und Wärme.
Marie Tronnier 

Mevissen, Katharina: Mutters Stimmbruch. Berlin: Wagenbach 2023. 121 S. ISBN 978-3-8031-3355-7, kt.: 22,00 Euro.