Ministerpräsidenten: Grundrechte sind die Basis
Vor dem Geburtstag des Grundgesetzes haben die Ministerpräsidenten die Grundrechte als Basis bezeichnet, auf der sich diskutieren und streiten lasse. Zudem wurden Stimmen laut, die Vorläufigkeit der Verfassung aufzuheben.

Frankfurt a.M. (epd). Zum bevorstehenden 75. Jubiläum des Grundgesetzes haben die Ministerpräsidenten der Bundesländer zur Stärkung der Demokratie aufgerufen. „Der kleinste und zugleich größte gemeinsame Nenner sind die ersten Artikel des Grundgesetzes, unsere Grundwerte“, heißt es in dem am Mittwoch online veröffentlichten Aufruf. „Wir können über alles diskutieren und streiten, ein gutes Ergebnis erzielen, wenn wir uns gemeinsam auf dieser Basis begegnen.“

Die amtierende Bundesratspräsidentin und Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD), nannte es ein „großes Glück, dass wir heute in einem vereinten Deutschland in Frieden, Freiheit und Demokratie leben“. Die wichtigste gemeinsame Aufgabe sei, dies zu bewahren.

Am Donnerstag (23. Mai) jährt sich die Verkündigung des Grundgesetzes zum 75. Mal. Dies soll unter anderem mit einer Menschenkette um das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gefeiert werden. Unter dem Motto „75 Jahre Grundgesetz: Rechtsstaat schützen - Freiheit feiern“ wollen sich ab 18 Uhr mehr als 1.000 Menschen vor dem Karlsruher Schloss versammeln, wie das „Bündnis für Demokratie und Menschenrechte Karlsruhe“ mitteilte.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zeigte sich besorgt über die Debattenkultur in Deutschland. „Entweder, oder. Dafür oder dagegen. Das sind die Schubladen, in denen diskutiert wird“, sagte Baerbock in einem Video, das am Mittwoch auf ihrem offiziellen Instagram-Profil gepostet wurde. Es gebe Kräfte im Land, die aus der Spaltung ihr politisches Geschäft gemacht hätten. Diese Kräfte wollten das Völkische zurück in die Köpfe bringen und verkauften Hetze als Patriotismus. Die Verfassung überwinde genau jenes völkische Denken, das Europa an den Abgrund gebracht habe, sagte Baerbock.

Der frühere Bundespräsident Christian Wulff (CDU) sprach sich dafür aus, den 23. Mai als Verkündungstag des Grundgesetzes zum nationalen Feiertag zu erklären. „Dieses Grundgesetz ist die Grundlage, dass es uns allen so gut geht und weiterhin gut gehen wird. Deswegen sollten wir den Tag feiern“, sagte Wulff am Dienstagabend in der hannoverschen Neustädter Hof- und Stadtkirche. Dieser neue Feiertag solle einen bestehenden ersetzen.

Vorschläge, den vorläufigen Charakter des Grundgesetzes aufzuheben, kamen von mehreren Seiten. Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Irme Stetter-Karp, sagte, das 75-jährige Bestehen des Grundgesetzes sei eine gute Gelegenheit, um über Artikel 146 neu nachzudenken. Dieser Artikel sieht vor, dass das Grundgesetz seine Gültigkeit verliert, wenn eine Verfassung in Kraft tritt, „die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist“. Stetter-Karp sagte, 34 Jahre nach der Wiedervereinigung Deutschlands sei ein guter Zeitpunkt gekommen, das Grundgesetz durch die Bürgerinnen und Bürger zu bestätigen.

Auch der letzte Außenminister der DDR, Markus Meckel, sprach sich dafür aus, Artikel 146 zu streichen. Er bedauerte, dass das Grundgesetz 1990 mit dem Beitritt der ostdeutschen Bundesländer nicht überarbeitet wurde. Damit hätte man eine Identifizierung geschaffen, die für Ostdeutsche wichtig gewesen wäre, sagte der evangelische Theologe dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“.

Zuvor hatte der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Dienstag) vorgeschlagen, das Grundgesetz mittels Volksabstimmung in eine deutsche Verfassung zu verwandeln. Damit könne die „emotionale Fremdheit“ Ostdeutscher mit dem vor 75 Jahren in Westdeutschland erarbeiteten Grundgesetz überwunden werden.