Der Schutz könne nicht allein durch die Polizeien und Sicherheitsbehörden gewährleistet werden, heißt es etwa aus Brandenburg. Wahlhelfern gezielt polizeilichen Schutz zu gewähren, sei personell nicht darstellbar, erklärt das Bremer Innenressort. Das ergibt eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) unter den Innenministerien der Länder. Es bedürfe einer gesamtgesellschaftlichen Anstrengung, erklärt das brandenburgische Innenministerium in Potsdam, das zugleich von "Symptomen einer zunehmenden Verrohung in der Gesellschaft" spricht.
In der Nacht zu Freitag kam es erneut zu einem Angriff. In Schwerin wurde ein AfD-Landtagsabgeordneter geschlagen und verletzt. Tatverdächtig sei ein 52-jähriger Deutscher, der sich dem politisch linken Spektrum zuordnet, wie das Polizeipräsidium Rostock mitteilte. Der Beschuldigte wurde nach Abschluss der polizeilichen Maßnahmen aufgrund fehlender Haftgründe entlassen.
Die Berliner Polizei hat im Europa-Wahlkampf bislang drei Attacken auf Wahlhelferinnen und Wahlhelfer in der Stadt registriert. Dabei wurden die Wahlhelfer verbal oder körperlich am Aufhängen von Wahlplakaten gehindert beziehungsweise in der Wählerwerbung gestört, Verletzungen seien nicht bekannt. Die Störungen richteten sich gegen Wahlhelferinnen und -helfer von AfD, Linke und Grünen.
Im Saarland hat es nach Angaben des Innenministeriums bisher keine Angriffe auf Wahlhelferinnen und -helfer gegeben. Allerdings seien bisher 29 Plakate abgerissen, beschädigt oder beschmiert worden, teilt das Ministerium mit. Die Polizei in Thüringen hat im bisherigen Kommunal- und Europawahlkampf landesweit vier Attacken auf Wahlhelferinnen und -helfer registriert, in Sachsen-Anhalt sind der Landespolizei aktuell zwei tätliche Angriffe auf Wahlhelfer verschiedener Parteien bekannt.
Während in Sachsen nach Angaben des dortigen Innenministeriums unter anderem Parteibüros verstärkt überwacht werden, sollen in Mecklenburg-Vorpommern, je näher der Termin der Europa- und zahlreichen Kommunalwahlen am 9. Juni rückt, unter anderem Wahllokale bei Streifenfahrten stärker einbezogen werden, wie das dortige Ministerium mitteilt. Ansonsten setzen alle Bundesländer auf Prävention, indem sie Politikern Beratungen anbieten und Empfehlungen zum Schutz geben. In Rheinland-Pfalz wird beispielsweise zum Schutz des privaten Raums von Kandidatinnen und Kandidaten in den Bekanntmachungen der Vorschläge zur Kommunalwahl anstelle der konkreten Anschrift nur noch der Wohnort veröffentlicht.
Buschmann: "Nicht Eindruck erwecken, dass Politiker sich ganz allgemein vor der eigenen Bevölkerung fürchten müssten."
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sieht Vorstöße skeptisch, Stalking von Politikern unter Strafe zu stellen. "Die körperliche Unversehrtheit ist im Strafrecht umfassend geschützt", sagt Buschmann den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Das beste Strafgesetz nütze nichts, wenn die Aufklärungsquoten niedrig seien, erklärte der Bundesjustizminister. Zur Bundesratsinitiative von Sachsen, Stalking von Politikern unter Strafe zu stellen, erklärte Buschmann: "Wir werden uns den Vorstoß genau anschauen." Er warne jedoch davor, den Eindruck zu erwecken, dass Politiker sich ganz allgemein vor der eigenen Bevölkerung fürchten müssten.
Seine Kollegin, Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), sieht eine Mitverantwortung für zunehmende Gewalt gegen Politiker und Ehrenamtliche bei der AfD. In einem Namensbeitrag für die "Welt am Sonntag" schreibt sie: "Es gilt, die Mitverantwortung derer sehr deutlich zu benennen, die immer hemmungsloser und skrupelloser Demokraten anfeinden und diffamieren."
Angriffe gegen Politikerinnen und Politiker sowie Wahlkampfhelfer hatten in den vergangenen Wochen für Erschrecken gesorgt. In den vergangenen Wochen waren Politiker verschiedener Parteien attackiert worden, unter anderem in Dresden der sächsische SPD-Europaabgeordnete Matthias Ecke, die Berliner Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) und Politiker der Grünen und der AfD.
Die beiden großen christlichen Kirchen in der Pfalz und Saarpfalz wollen mit einer gemeinsamen Initiative ein Zeichen für Menschenwürde und Demokratie und gegen den politischen Extremismus setzen. Zum Start der ökumenischen Aktion "Aufstehen für ..." hissten Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst und der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann am Freitag die ersten Flaggen vor dem Kaiserdom.