Neben der Europawahl finden in neun Bundesländern zeitgleich am 9. Juni Kommunalwahlen statt. In Thüringen nur wenige Tage zuvor, am 26. Mai. Nach der Europawahl stehen dann im September gleich drei Landtagswahlen in Deutschland an.
Die vier großen Kirchen in Baden-Württemberg rufen alle Bürger:innen im Südwesten dazu auf, bei den bevorstehenden Wahlen für Demokratie und Menschenrechte zu votieren. "Stärken Sie mit Ihrer Stimme Nächstenliebe und Mitmenschlichkeit", heißt es in einem gemeinsamen Aufruf zu Pfingsten. Unterzeichnet ist er von den evangelischen Bischöfen Ernst-Wilhelm Gohl (Württemberg) und Heike Springhart (Baden) sowie dem katholischen Erzbischof Stephan Burger (Freiburg) und Diözesanadministrator Clemens Stroppel (Rottenburg).
Außerdem werben die vier leitenden Geistlichen für einen friedlichen Umgang miteinander bei gesellschaftlichen wie internationalen Konflikten. "Wir verurteilen Hass, Gewalt und Terror, wir stellen uns gegen jede Form des Rassismus und Antisemitismus - auch bei uns in Baden-Württemberg - und mahnen alle zu Mitmenschlichkeit und Gewaltverzicht", heißt es in dem Wort zu Pfingsten.
Zuvor hatte auch die Bevollmächtigte der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen, Kerstin Gäfgen-Track, appelliert: "Wir bitten alle Wahlberechtigten darum, ihr Wahlrecht wahrzunehmen und die Grundlagen von Demokratie und Freiheit in Europa zu stärken." Parteien, die Menschen aufgrund Ihrer Herkunft, kultureller oder religiöser Überzeugungen abwerteten oder Abschottung und Nationalismus verträten, gefährdeten die Europäische Union und die Demokratie, mahnte sie. "Sie handeln gegen das christliche Verständnis von der Würde aller von Gott geschaffenen Menschen."
Die Diakonie in Niedersachsen schließt sich dem Aufruf an und will mit einer neuen Kampagne unter dem "Vielfalt leben, Hoffnung geben" zugleich für gesellschaftliche Vielfalt werben.
Alle Menschen sind Geschöpfe Gottes mahnt die Bremische Kirche
Auch die Bremische Evangelische Kirche vertritt ihren Standpunkt deutlich. "Wir halten völkischen Nationalismus und Christentum für unvereinbar. Deshalb sind rechtsextreme Parteien für Christinnen und Christen nicht wählbar", heißt es in einer Erklärung zur EU-Wahl, die das Parlament der bremischen Kirche vor Kurzem mit großer Mehrheit verabschiedet hat.
Zur Begründung hieß es, das christliche Selbstverständnis sei davon bestimmt, "dass wir eine weltweite Gemeinschaft sind und diese Vielfalt als bereichernd und herausfordernd zugleich erleben". Dabei werde nicht unterschieden zwischen Menschen nach ihrer Herkunft: "Alle Menschen sehen wir als Geschöpfe Gottes an, denen die Menschenwürde gleichwertig zukommt."
Wahlentscheidung mit Verantwortung
Ebenso appelliert Sachsens Landessynode an die Mitglieder der evangelisch-lutherischen Kirchgemeinden, bei den geplanten Wahlen eine verantwortungsvolle Entscheidung zu treffen. In einem auf der Synode verabschiedeten Papier warnten die Synodalen vor extremistischen Parteien. "Kommen diese Parteien in politische Verantwortung, nimmt unser Miteinander Schaden", heißt es in dem Appell. In Sachsen wird am 1. September ein neuer Landtag gewählt.
Das Kirchenparlament der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg hat sich ebenfalls am Freitag deutlich zur Demokratie bekannt. "Die Demokratie ist nach unserer tiefen Überzeugung diejenige Staatsform, die die unantastbare Würde der Person am besten anerkennt und achtet sowie ein Leben in Freiheit schützt", heißt es in einer bei der Synodentagung in Rastede verabschiedeten Stellungnahme. "Wir verpflichten uns, diese Werte aktiv zu verteidigen und stets zu fördern."
Die Kirche stehe in der Verantwortung, "extremistischen Strömungen keine Plattform zu geben", heißt es weiter. Extremistische Ideologien und Positionen stünden "im Widerspruch zu den Grundwerten des Evangeliums". Sie dürften weder in den Gemeindekirchenräten noch in den Gremien und Parlamenten der Kommunen, Bundesländer, des Bundes und Europas "eine legitimierte Vertretung" finden.
Die Synode appelliert an die Bürger:innen, ihr Wahlrecht bei der Europawahl nutzen, "um eine Zukunft zu gestalten, die von Mitmenschlichkeit und gegenseitigem Respekt geprägt ist".
Aufruf zur Demonstration
Rechtzeitig vor der Europawahl ruft auch ein Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen zu Demonstrationen für die Demokratie auf. Unterstützt von Bela B von der Band "Die Ärzte" wurden die Pläne diese Woche in Hamburg vorgestellt, wie die Umweltorganisation Greenpeace mitteilte. Zwischen dem 23. Mai, dem 75. Jahrestag der Verkündung des Grundgesetzes, und dem 8. Juni soll demnach eine bundesweite Demonstrationswelle entstehen, um möglichst viele Bürgerinnen und Bürger davon zu überzeugen, zur Wahl zu gehen.
Demokratie- statt La-Ola-Welle
Zu den Organisationen des Bündnisses zählen Campact, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), der Deutsche Naturschutzring (DNR), Fridays for Future, Greenpeace, der Paritätische Gesamtverband, die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland, Mehr Demokratie, Pro Asyl, WWF Deutschland und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD).
Geplant sind Kundgebungen unter anderem in Leipzig, Stuttgart, Cottbus, Erfurt, Berlin, München, Frankfurt am Main, Köln und Hamburg sowie in vielen kleineren Orten in Deutschland, um den prozentualen Stimmenzuwachs rechtsextremer Parteien zu stoppen. Besonders Erstwähler:innen ab 16 Jahren sollen motiviert werden, demokratische Parteien zu wählen.
Blick auf Ostdeutschland
Allein an mindestens 20 Orten in Mecklenburg-Vorpommern sind am 2. Juni und damit genau eine Woche vor den Kommunalwahlen und der Europawahl (9. Juni) Aktionen für Demokratie, Menschenwürde und eine offene Gesellschaft geplant. Lokale zivilgesellschaftliche Bündnisse laden zu Demonstrationen, Kundgebungen und kreativen Aktionen ein, teilte Aktionsbündnis Demokratisches MV in dieser Woche in Schwerin mit. Ziel sei es, dass MV zusammenstehe gegen den Rechtsruck in Gesellschaft und Politik, hieß es. Gesendet werden solle damit ein Wahlaufruf und eine Wahlempfehlung gegen die rassistische Politik der AfD und anderer rechtsextremer Parteien.
Die geplanten Aktionen der lokalen Bündnisse greifen den Angaben zufolge das Motto "Nie wieder ist jetzt" auf, unter dem sich bereits zu Beginn des Jahres bei Demonstrationen viele Akteur:innen aus Politik, Zivilgesellschaft, Kirchen, Kultur, Wirtschaft und Gewerkschaften zusammengefunden hatten.
Zuvor hatte das Netzwerk "Correctiv" im Januar Recherchen öffentlich gemacht, dass sich "hochrangige AfD-Politiker, Neonazis und finanzstarke Unternehmer" in Potsdam getroffen hatten, um mit dem Staatsbürgerschaftsrecht einen Grundpfeiler der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Frage zu stellen, hieß es. Auch in MV würden prominente Mitglieder der AfD regelmäßig mit menschenfeindlichen Positionen auffallen.
Jeder Einzelne zählt
Gerade in den kleineren Orten in MV bedeute jede einzelne Person, die an den am 2. Juni geplanten Veranstaltungen teilnimmt, eine Menge, hieß es. "Es ist wichtig, dass wir in der Familie, auf der Arbeit und im Verein gegen rechte Propaganda einstehen. Aber es tut auch gut, zu sehen, dass es da viele andere gibt, die das auch tun, die das Gefühl kennen und die die politische Bühne nicht den Schreihälsen und Faschisten überlassen. Darauf freue ich mich", sagte Heinz Wittmer vom Aktionsbündnis 8. Mai aus Demmin.
Geplant ist laut Mitteilung beispielsweise in Schwerin eine Demonstration, die den Stolpersteinen folgt, die an Deportierte und Ermordete des Naziregimes erinnern. In Teterow, Ludwigslust und Bergen auf Rügen sind Demokratiefeste geplant, in Parchim, Güstrow und Bützow kulinarische Angebote. Auch rund um die Aktionen am 2. Juni und für die Tage zuvor hätten einige Orte ein buntes Programm entwickelt.
Evangelische Akademien im Osten: Vormarsch der extremen Rechten stoppen
Ebenso rufen die Evangelischen Akademien in Ostdeutschland gemeinsam dazu auf, den Vormarsch der extremen Rechten zu stoppen. Wirtschaftliche und soziale Probleme müssten konstruktiv angegangen werden, um Rechtsextremisten den Nährboden zu entziehen, erklärten die Direktor:innen der Akademien in Berlin, Dresden, Lutherstadt Wittenberg, Neudietendorf und Rostock in einer gemeinsamen Stellungnahme.
Zudem müssten Menschen besser politisch gebildet werden, heißt es weiter. So könnten Bürger:innen befähigt werden, die Untauglichkeit rechter Rezepte zur Problemlösung zu erkennen. Bei der Wahl komme es darauf an, dass Demokraten und EU-Befürworter die Mehrheit erhielten. Dabei zähle jede Stimme, betonten die Akademiedirektoren mit Blick auf hohe Umfragewerte der AfD.
Die Direktorin der Evangelischen Akademie zu Berlin, Friederike Krippner, warnte, Rechtsextremisten spielten ein doppeltes Spiel. Sie präsentierten sich als antibürgerlich und staatsfern. Einmal an die Macht gekommen, würden sie den Staat zur Beute machen und dessen Institutionen umbauen. Zugleich suchten sie den Anschluss an bürgerliche Kräfte. Im EU-Parlament könnten sie als Mitglieder konservativer Fraktionen ihre Agenda Stück für Stück vorantreiben.
Der Direktor der Evangelischen Akademie Thüringen, Sebastian Kranich, beklagte eine "schleichende Normalisierung von Themen und Taktik der extremen Rechten". Eine hasserfüllte Sprache und verbale Drohungen mündeten in Gewalt gegen demokratische Politikerinnen und Politiker.
"Angesichts von Kriegen und Krisen um uns herum geht es bei dieser Wahl um nichts weniger als um die Zukunft der Freiheit unseres Kontinents." Landesbischof Christian Kopp
Das Bayerische Bündnis für Toleranz hat ebenfalls dazu aufgerufen, bei der Europawahl am 9. Juni wählen zu gehen und für eine demokratische Partei zu stimmen. "Angesichts von Kriegen und Krisen um uns herum geht es bei dieser Wahl um nichts weniger als um die Zukunft der Freiheit unseres Kontinents", sagte Landesbischof Christian Kopp, Sprecher des Bündnisses.