DEPT in Hamburg
epd-bild/Stephan Wallocha
Rund 17.000 Blechblasbegeisterte hatten sich auf der Wiese am Stadtparksee in Hamburg zum Abschlußgottesdienst versammelt.
Evangelischer Posaunentag
Mit Tönen Gottes Liebe verkünden
Alle zwei Jahre findet der Deutsche Evangelischen Kirchentag statt, den Deutschen Evangelischen Posaunentag gibt es aber nur alle acht Jahre. evangelisch.de-Redakteur Thomas Klatt war am Wochenende vor Ort und hat einige der 15.000 evangelischen Bläserinnen und Bläser befragt, die nach Hamburg gekommen sind.

Man sieht sie überall in der Innenstadt mit ihren Gigbags auf dem Rücken, manchmal sind ihre Instrumente und Notenständer auch auf kleine Rollwagen geschnallt. Darin transportieren sie ihre Trompeten, Hörner, Posaunen oder Tuben, wohin sie wollen. Dieses Mal eben nach Hamburg. Für die hessischen Bläser ist der Event einfach großartig: "Es ist die Motivation, in einer so großen Gemeinschaft mitzuspielen. Man freut sich schon über Jahre auf diesen Bundesposaunentag. Es ist für alle ein sehr großes Erlebnis und eine große Ehre, hier mitzuspielen."

"Ich finde es toll, dass wir als Posaunenchöre miteinander verbunden sind. Dass wir egal, wo wir wohnen, einen Auftrag haben. Dass wir nicht mit Worten verkündigen, sondern mit Tönen, dass uns Gottes Liebe wichtig ist und wir sie an die Menschen weitergeben", so eine weitere Reaktion der hessischen Bläser. "Dass ist ein unheimliches Erlebnis, 15.000 Gleichgesinnte, jetzt ist Hamburg von Blechbläsern geflutet." 

Unter dem plattdeutschen Motto: "mittenmang" fand der Deutsche Evangelische Posaunentag DEPT in Hamburg vom 3. bis 5. Mai statt. Der bayrische Pfarrer Frank Möwes ist Leitender Obmann des Evangelischen Posaunendienstes in Deutschland EPiD. Für ihn sind die Menschen, die hier zusammenkommen, schlicht eine Familie: "Wenn die gestärkt nach Hause gehen und sagen, das war ein wunderbares Wochenende und ich weiß jetzt wieder, warum ich Posaunenchorbläser oder -bläserin bin, dann hat es einen tollen Effekt. Wir wollen natürlich auch die gute Botschaft unter die Leute bringen. Was daraus wird, kann man theologisch sagen, ist Sache des Heiligen Geistes, aber wir wollen es zumindest probieren." 

Der Posaunentag habe Hamburg "eingetaucht in ein Klangmeer des Glaubens", sagte Bischöfin Kirsten Fehrs beim Abschlußgottesdienst.

Posaunenchöre blasen nicht nur in der Kirche, sondern wo und wann sie wollen. Nach aktueller Zählung gibt es deutschlandweit rund 90.000 evangelische Blechbläser. "Es wird auch ganz schnell zu einem modernen Gottesdienst, wenn man Konzerte spielt mit Posaunenchören, wenn dann die richtigen Texte dazukommen, die richtigen Lieder, wo viele Leute teilgenommen haben, die eigentlich gar nicht zu einem Gottesdienst wollten, aber dann doch interessiert dabei gewesen sind und die das auch erreicht und berührt hat. Das hört man hinterher auch von den Leuten. Das finde ich einen ganz wichtigen Auftrag, den wir haben", sagt Hayo Bunger, Landesposaunenwart im Bezirk Ostfriesland Ems. 

Thematisierung der Ausbeutung der Weltmeere

Der Posaunentag in Hamburg ist durch zahlreiche Konzerte, Serenaden und Gottesdienste geprägt. Die schiere Masse an goldenem Blech ist so sonst nie zu sehen oder eben auch zu hören. Selbst weiter entfernt an der Außenalster oder auf dem anderen Elbufer kann man sich diesem Klang kaum entziehen. Auf dem Posaunentag wurden am Samstagnachmittag aber auch Themenschwerpunkte gesetzt, etwa zu Flucht und Migration, Inklusion, Bildung, Kima oder Spiritualität. Oder "Sehnsucht Hafen" auf dem alten Großsegler Peking. Hier wird die Ausbeutung auf den Weltmeeren thematisiert.

Fiete Sturm ist Diakon bei der Seemannsmission Hamburg: "Seeleute arbeiten in einer durchindustrialisierten und durchökomomisierten Welt. Sie sind immer nur noch Rädchen im Getriebe und der menschliche Faktor bleibt außen vor. Bei uns in der Seemannsmission kommen sie hin, um ein paar Minuten, ein paar Stunden Mensch zu sein. Und da spielt Musik auch eine ganz große Rolle."

Und es geht auf dem DEPT in Hamburg um das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus. Nämlich im Lohsepark in der HafenCity am ehemaligen Hannoverschen Bahnhof, wo während der Nazi-Zeit Deportationen stattfanden. Heute ist hier ein Gedenkort. Um 14:00 Uhr kommen mehr als 400 Bläserinnen und Bläser zusammen, um unter freiem Himmel Andacht zu halten. Andreas Jahn, Landesposaunenwart in der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, sagt, wie sie das machen: "Dass wir an diesem Ort Musik jüdischer Komponisten spielen, aber auch Musik der Roma und Romnja. Die Idee ist, dass wir bei der bloßen Zahl von 7500 Deportierten versuchen, ein menschliches Gesicht zu zeigen." Etwa mit dem Psalm 90 des jüdischen Komponisten Louis Lewandowski. Musik ist immer auch eine inhaltliche Auseinandersetzung. 

"Dass der kulturelle Schatz, den wir in der Nazizeit uns selbst genommen haben, nämlich jüdische Musik und Musik der Sinti und Roma, dass wir davon wieder etwas spielen. In Kurhessen-Waldeck ist 2008 erstmals traditionelle jüdische Hochzeitsmusik in die normalen Bläserhefte mit aufgenommen worden. Wir haben verschiedene Seminare zu dem Thema gemacht. Wir haben eine Bachelor-Arbeit gefunden über Antijudaismen im Evangelischen Gesangbuch. Nach Kräften setzen wir uns damit auseinander", sagt Andreas Jahn weiter. So wird auch "Mein kleiner grüner Kaktus" gespielt. Das berühmte Lied der Comedian Harmonists. Geschrieben haben es die Juden Ralf Marbot und Bert Reisfeld, die von den Nazis zur Emigration gezwungen wurden. In die Posaunenchor-Literatur finden Stücke jüdischer Komponisten aber erst allmählich Eingang. 

Vergangenheitsaufarbeitung um Gründer Kuhlo soll beginnen

Ganz anders jedoch wird bis heute Johannes Kuhlo geblasen, der "Posaunengeneral". Kuhlo gilt als Begründer der evangelischen Posaunenchorbewegung. Und - Kuhlo war glühender Hitler-Verehrer.
"Wir können nicht als Posaunenchöre an einem Gedenkort für Opfer des Nationalsozialismus spielen, ohne an unsere eigene Vergangenheit zu denken. Deswegen spielen wir einen Choralsatz von Johannes Kuhlo, um über seine Rolle zu reflektieren.

Johannes Kuhlo war überzeugter Nationalsozialist. Was wir in der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck schon vor 10 Jahren abgeschafft haben, ist die Verleihung der Kuhlo-Medaille durch Posaunenwarte", sagt Andreas Jahn. Doch immer noch gibt es Bläser, die Johannes Kuhlo hochschätzen, ohne seine Nazi-Vergangenheit zu nennen. Die vom EPiD angekündigte Vergangenheitsaufarbeitung soll nun endlich beginnen, verspricht der Leitende Obmann Frank Möwes: "Wir haben jemanden, der sich der Sache annimmt und eine Promotion über Johannes Kuhlo schreiben wird. Diese Glorifizierung, die Kuhlo punktuell immer noch erfährt, ist indiskutabel."

Posaunenarbeit ist ein Teil der Verkündigung

Und heute? Sind die evangelischen Bläser nun vor rechtem Gedankengut gefeit? Könnte ein Posaunenchor auch auf einem zum Beispiel AfD-Bürgerfest spielen? Ausgeschlossen, meint Bischof emeritus Gerhard Ulrich, Vorsitzender des Evangelischen Posaunendienstes in Deutschland EPiD. Obwohl Posaunenchöre natürlich immer auch ein Spiegelbild der Gesellschaft seien. "Man muss sagen, dass die Posaunenchorarbeit in Deutschland eine der größten Ehrenamtlichenbewegungen ist.

Und darauf vertrauen, dass die Menschen schon auch verstehen, was mit der christlichen Botschaft gemeint ist und was auch nicht. Die Posaunenarbeit ist ein Teil der Verkündigung und die Verkündigung ist niemals unpolitisch und gerade was die AfD und andere extreme Positionen angeht, glaube ich, ist die EKD gerade in den letzten Monaten und Jahren deutlich und klar gewesen", sagt Ulrich. Nämlich, dass sich die Evangelischen von der AfD und ihrem völkischen Denken abgrenzen.

Nur alle acht Jahre findet der Deutsche Evangelische Posaunentag statt. Bis dahin erschallt es aber weiter. Denn anders als die Kirchenaustrittszahlen vermuten lassen, werden sogar neue Posaunenchöre gegründet. Landesposaunenwart Christian Syperek aus Berlin macht sich jedenfalls um die musikalische Zukunft derzeit keine Sorgen: "Insgesamt ist die Posaunenarbeit nicht auf einem absteigenden Ast. Sie begeistert immer wieder Kinder und Jugendliche, auch Erwachsene, die anfangen zu blasen. Unsere Zahlen sind aktuell relativ stabil."