FSJ-lerin Yentl Heinrich räumt im Feierabendhaus des Diakonissen-Mutterhauses Hebron in Marburg nach dem Mittagessen die Tische im Speisesaal ab
epd-bild / Rolf K. Wegst
FSJ-lerin Yentl Heinrich räumt im Feierabendhaus des Diakonissen-Mutterhauses Hebron in Marburg nach dem Mittagessen die Tische im Speisesaal ab.
Sorge um das Freiwillige Soziale Jahr
Das FSJ wird 60 - (k)ein Grund zum Feiern
Am 29. April 1964 verabschiedete der Bundestag das Gesetz zur Förderung eines Freiwilligen Sozialen Jahres. 60 Jahre später bedrohen Mittelkürzungen durch den Bund das vor allem bei jungen Menschen beliebte FSJ.

60 Jahre sind ein Grund zum Feiern. Eigentlich. Im Fall des Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ), das am Montag (29. April) runden Geburtstag hat, lässt wohl niemand die Korken knallen. Die Zukunft des FSJ sei von Mittelkürzungen durch den Bund bedroht, beklagt die Diakonie Hamburg. Der Paritätische Wohlfahrtsverband Hamburg sieht Freiwilligendienste vor einem "Desaster".

Am Montag (29. April) findet deutschlandweit ein Aktionstag unter dem Motto "#keinehalbensachen" statt, an dem für eine Rücknahme der Kürzungen gekämpft werden soll. Das ist auf den Tag genau 60 Jahre nach Verabschiedung des Gesetzes zur Förderung eines FSJ durch den Bundestag am 29. April 1964.
Im Herbst vergangenen Jahres seien Haushaltskürzungen für 2024 abgewendet worden. Jetzt drohe für das kommende Jahr eine schwere Lücke, warnt der Paritätische: "Für 2025 sind im Bundeshaushalt für die Freiwilligendienste Mittelkürzungen von ca. 25 Prozent geplant." Von den Kürzungen wäre beim Paritätischen Hamburg bis zu ein Viertel der Einsatzstellen betroffen.

"Setzen sich die Planungen durch, fielen viele Kräfte weg, die etwa in Kitas, Seniorenheimen, Jugendeinrichtungen oder in der Suchthilfe im Alltag unterstützen und zusätzliche Angebote machen können, wie zum Beispiel Spaziergänge, Begleitung bei Arztbesuchen, Musik- oder Spieleangebote oder einfach nur Zuhören", warnt Kristin Alheit, Geschäftsführerin des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Hamburg.

"Nachfrage ist groß, das Diakonische Werk muss jedoch Konsequenzen ziehen"

Bundesfreiwilligendienst (BFD) und FSJ seien zudem wichtig für die Persönlichkeitsentwicklung der Freiwilligen und das Recruiting neuer Fachkräfte. "Der Freiwilligendienst hilft den jungen Leuten, ihre Stärken zu erkennen und auszubauen, persönlich zu reifen und sich über ihre berufliche Zukunft klar zu werden", sagt Alheit. Viele gingen nach erfolgreichem FSJ oder BFD dort in die Ausbildung, wo sie zufrieden waren, oder blieben anderweitig im sozialen Bereich aktiv. "Bei dem enormen Fachkräftemangel sind Kürzungen im Freiwilligendienst daher doppelt schlimm."

In den Einrichtungen der Diakonie Hamburg leisten nach Angaben des Diakonischen Werks jedes Jahr rund 1.000 zumeist junge Menschen einen Freiwilligendienst. Ihr Engagement leiste einen großen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die Nachfrage sei nach wie vor groß, das Diakonische Werk müsse jedoch erste Konsequenzen ziehen, heißt es.

 

So werde "aufgrund des hohen finanziellen Risikos" der FSJ/BFD-Jahrgang 2024/2025 nicht wie gewohnt angeboten: Das besondere Programm "FSJ 4 YOU" wird laut Diakonischem Werk zunächst für einen Jahrgang ausgesetzt. "Dieses Angebot für junge Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf benötigt die meisten Ressourcen. Hier arbeiten wir mit einer deutlich kleineren Gruppe, bieten intensivere pädagogische Begleitung sowie Begleitung im Übergang in sowie aus dem Dienst in eine Anschlussperspektive", erläutert Alexandra Hachmeister, Leitung Arbeitsbereich Freiwilligendienste und Personalgewinnung. "Und das können wir so leider nicht mehr gewährleisten." Sie betont aber: "Selbstverständlich stehen dieser Zielgruppe unsere regulären Freiwilligendienste offen."

Die angekündigten Kürzungen für die Freiwilligendienste wirkten sich bereits jetzt aus, heißt es. Das Diakonische Werk spricht von 7,5-prozentigen Kürzungen für den neuen FSJ-Jahrgang, der ab September startet, und von Kürzungen um 25 Prozent für den Bundesfreiwilligendienst ab Anfang 2025. Für den Jahrgang ab Sommer 2025 stünden im FSJ sogar weitere Kürzungen von 35 Prozent gegenüber 2023/2024 im Raum. Die Kürzungen würden die Zahl der Plätze in den Freiwilligendiensten deutlich reduzieren, die Vielfalt der Einsatzstellen einschränken und die erreichbaren Zielgruppen verkleinern.

Diakonisches Werk und Paritätischer fordern eine Rücknahme der Kürzungen sowie Planungssicherheit. "Die meisten Freiwilligendienste starten im Sommer und dauern 12 Monate. Es ist unhaltbar, dass die Finanzierung ab Januar 2025 für viele Plätze noch nicht gesichert ist", kritisiert Alheit.