Eine Trendstudie über Deutschlands Jugend, auch Generation Z genannt, skizziert ein wenig optimistisches Bild der 14- bis 29-Jährigen. Inflation, Kriege in der Ukraine und in Nahost, die Spaltung der Gesellschaft sowie der zu teure und zu knappe Wohnraum bereiten Angst und Sorge, wie das Autorenteam der Studie um den Jugendforscher Klaus Hurrelmann und Simon Schnetzer feststellt.
Der gerade veröffentlichte Jugendbericht der Evangelischen Jugend in Bayern bestätigt das. "Die Krisen der letzten Jahre haben die junge Generation in besonderem Maße psychisch und mental belastet", heißt es in dem Bericht, den Tobias Fritsche, Landesjugendpfarrer der Evangelischen Jugend in Bayern (EJB), auf der Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (21. bis 25. April 2024 in Coburg) vorstellte.
Dennoch gäbe es ein Bedürfnis nach einem Leben mit Zuversicht, Freude und Engagement und müsse von evangelischer Jugendarbeit aktiv unterstützt werden. Der Jugendbericht des bayerischen Kirchennachwuchses mit dem Titel "Zuhause in Veränderung" analysiert die Situation junger Menschen in Deutschland sowie die Herausforderungen und Entwicklungen in der evangelischen Jugendarbeit. Diese steht demnach vor neuen Herausforderungen.
Klar sei, dass die Nachfrage nach resilienzstärkenden Angeboten weiterhin hoch sei und es vermehrt Zeit für die Lebensgestaltungsfragen junger Menschen brauche sowie Räume, um über Ängste, Sorgen und Nöte ins Gespräch zu kommen. Denn wenn auch die Corona-Pandemie immer mehr in den Hintergrund gerate, sei die Zeit der Krisenerfahrung besonders für junge Menschen weiterhin spürbar. "Mit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine und dem blutigen Konflikt in Nahost ist die Sicherheit für ein friedliches Aufwachsen gehörig ins Wanken geraten", heißt es in dem Bericht.
Nicht erstaunlich seien ebenso die Sorgen der jungen Generation rund um den Schutz und Erhalt der Umwelt und des Klimas. "Was medial zu einem einseitigen Protest von Aktivist:innen reduziert wird, ist eine generationale Angst, die es ernst zu nehmen gilt." Inflation, steigende Energie- und Lebenserhaltungskosten verschärfe die Lebenssituation junger Menschen zusätzlich. Besonders belastend sei die Situation für junge Menschen aus prekärem und finanziell schwachem Umfeld.
Soziale Spaltung der jungen Generation zu befürchten
Die Evangelische Jugend in Bayern fordert daher, dass die "Herausforderung der jungen Generation, sich mit den unterschiedlichen Krisen zu beschäftigen, verstärkt wahrgenommen und bearbeitet werden muss". Junge Menschen mit ihren unterschiedlichen Voraussetzungen müssten nicht nur gesamtgesellschaftlich unterstützt werden, sondern auch von der (evangelischen) Jugendarbeit. Sonst sei eine soziale Spaltung der jungen Generation zu befürchten. Essentiell dafür seien Ressourcen: "Der Seelsorge- und Begleitungsbedarf junger Menschen steigt, damit verbunden nimmt die Belastung des verbleibenden hauptberuflichen Personals in gleichem Maß zu."
Weiter heißt es in dem Bericht, dass die Pubertät heute über ein Jahr früher
einsetze als noch vor 50 Jahren. Im Schnitt beginne bereits mit 10,5 Jahren bei Mädchen und 11,1 Jahren bei Jungen der biologische Umbau des Körpers. "Darauf sollten sich unsere kirchlichen Angebote einstellen. Das bedeutet, Altersgrenzen überprüfen und angepasste Formen für Teenager erproben."
Fragen nach Geschlechtsidentität soll Thema der Jugendarbeit sein
Ein entscheidendes Merkmal der jungen Generation sei ihr Aufwachsen in einer individualisierten Welt. Das zeige sich auch in einem neuen Umgang junger Menschen mit Fragen nach Geschlechtsidentität und sexueller Orientierung. Etwa jeder fünfte junge Mensch verorte sich nicht in einem heteronormativen Bild. "Das ist ein enormer Anteil in der Gruppe der jungen Menschen und allein deshalb ein wichtiges Thema der Jugendarbeit." Aber auch die ganze Kirche sei gefordert. Die Jugend brauche sichere Orte, an denen Vertrauen gelebt werde und über diese Themen gesprochen werden könne. Der Einsatz evangelischer Jugendarbeit und Kirche gegen Diskriminierung solle gerade auch den queeren Menschen gelten. "Denn die Welt ist bunt – Gott sei Dank!", so heißt es laut Bericht.
Die Evangelische Jugend fordert weiter: "Kirche und Jugendarbeit brauchen Diversitätskompetenz. Die neue Vielfalt ist keine Frage von Begegnung zwischen unterschiedlichen Gruppen, sondern längst das 'neue Normal' geworden. Dies muss bei allen Entscheidungen flächendeckend als Querschnittsaufgabe im Blick sein. Nur so können wir ein sicherer Ort für junge Menschen sein, die sich unsicher fühlen oder diskriminiert werden."
Umgesetzt werden sollen die neuen Ansätze mit dem Konzept der "Jugendarbeit mit Effekt". Dabei gehe es um eine neue theologische Sprache, von der sich junge Menschen angesprochen fühlen. Auch sollen Jugendliche in Kirche und Jugendarbeit "freundschaftliche Zugewandtheit und echtes Interesse" erfahren. Kirche solle flexibel denken, wenn sie mit jungen Menschen umgehe. Denn die mögen "spontanes und fluides Verhalten" und wollten sich nicht langfristig festlegen. Nötig sei eine spirituelle Praxis, die von "mitreißenden Events, Outdoor-Sport und emotionaler Ansprache" lebt.
Auch "der kulturelle kirchliche Ausdruck" soll ansprechender gestaltet werden: "Der 'etwas andere' Gottesdienst reicht nicht, um gegen das mächtig negative Image der Kirche in den Köpfen junger Menschen anzukommen. Der kulturelle kirchliche Ausdruck muss in diesem Jahrtausend ankommen." Heute gelte immer noch eine Gitarre im Gottesdienst als "modern", was sich verbiete, "wenn man bedenkt, dass die Rolling Stones die Popkultur der Seniorenkreise widerspiegeln". Dazu gehöre auch die Wahrheit, dass jede Wohnung und jedes Café liebevoller eingerichtet sei als die Gemeindehäuser oder Jugendräume. Eine Lösung sei das Aufsuchen von Orten der eigenen Lebenswelt oder der Natur.
Kirche müsse künftig verstärkt den Dialog mit der jungen Generation suchen. "Eine Kirche, die den erlebten Krisen und Ängsten Hoffnung entgegensetzt, wird ihre Relevanz – auch für die junge Generation – nicht verlieren."