"Plötzlich ist sie da, diese Frage, und lässt mich nicht mehr los: Wie werde ich älter? Und was bedeutet das für die nächsten Jahre?" schreibt die Gemeindepädagogin und Referentin Christiane Rösel aus Walddorfhäslach (Landkreis Reutlingen) am Anfang ihres neuen Buchs "Neugierig, auf das was kommt". Sie gibt in ihrem Buch, das im SCM Hänssler-Verlag Holzgerlingen erschienen ist, ehrliche Einblicke in ihrer eigene Lebens- und Lerngeschichte: Von ihrem Glauben, einem fortwährenden Lernprozess und dem Wunsch nach einer "Herz-Erweiterung".
Den Begriff "Herz-Erweiterung" erläutert sie folgendermaßen: Sie wünsche sich ein weites und gelassenes Herz, "eines, in dem viele und vieles Platz haben. Wo Menschen und Situationen sein dürfen - einfach so, wie sie nun mal sind". Auch Barmherzigkeit gegenüber sich selbst gehöre dazu. So schreibe sie nur noch eine tägliche "To-do-Liste" mit drei wichtigen Dingen, die unbedingt gemacht werden müssen. Wenn mehr erledigt würde, sei das gut, aber es müsse nicht mehr sein: "Mein Leben ist doch mehr als ein Wettlauf gegen mich selbst!"
"Ruhestand" ist ein Wort, mit dem Christiane Rösel nichts anfangen kann: "Ruhe" und "Stand", also Stagnation, sei nichts für sie. Gerade in dieser Zeit gelte es, in Bewegung zu bleiben und sich weiterzuentwickeln ohne sich dabei zeit- und kräftemäßig zu überfordern, findet die Kanufahrerin. Für sie sind Menschen beeindruckend, die auch im Alter lebendig und interessiert bleiben und sich nicht "mit ihren Erkenntnissen zur Ruhe gesetzt haben".
Dieses "Weiter lernen" bedeutet für sie nicht in erster Linie eine neue Fremdsprache oder Sportart zu lernen. Sondern es sei eine übergreifende Lebenshaltung, in der man noch dazu lernen will, aber auch offen ist, Ungutes, wie Charakterschwächen, Ängste oder selbst gesteckte Grenzen zu verlernen: "Wenn wir das Schwierige und Schmerzliche unseres Lebens angeschaut und bereinigt haben, dann kann der Blick noch einmal neu wachsen für alle Gaben und alles Gute in unserem Leben."
Sie selbst gehöre zu den "geburtenstarken Jahrgängen" 1963/1964. "Nie wurden in Deutschland mehr Kinder geboren als in diesen Jahren. Aber was tun die Menschen heute? Was bewegt sie?" Für diese Generation müsse Kirche neue Formen finden, um sie anzusprechen, ist Rösel überzeugt, die einen Podcast hat mit dem Titel "Vorwärtsleben - Der Podcast für Babyboomer": "Nie und nimmer würde eine oder einer von uns in einen traditionellen Seniorenkreis gehen, auch wenn er 55plus heißt - es sei denn, wir hätten uns verlaufen."
Rösel, die Großmutter wurde, fragt sich, welche Hoffnung und Erinnerung sie mit ihren Enkeln teilen möchte, welches Vermächtnis sie ihnen hinterlassen möchte. Ein Vermächtnis ist wohl die Hoffnung ihres Glaubens, der ihr die Gewissheit vermittele, unter allen Umständen von Gott gehalten zu sein, wie sie an anderer Stelle schreibt. In ihrem Buch resümiert sie: "Ich werde mich hüten, die Herausforderungen kleinzureden, die diese Lebensphase mit sich bringt. Aber mir ist noch einmal deutlich geworden, wie viele Gestaltungsspielräume uns bleiben." Die Lebenszeit, die ihr noch zur Verfügung stehe, "werde ich nicht nur erdulden, sondern so, wie es mir geschenkt ist, nach Kräften weiter gestalten", meint Rösel. Und neugierig bleiben, auf das, was kommt.
Christiane Rösel: Neugierig auf das, was kommt: Inspiriert älter werden, SCM Hännsler Verlag, Holzgerlingen, 224 Seiten 18 Euro.