Er war der dreiste kasachische Fernsehreporter in "Borat" und machte Heidi Klum als schwules Top-Model "Brüno" Konkurrenz. Seit zehn Jahren hält Sacha Baron Cohen mit seinen erfrischend respektlosen Pseudo-Dokumentationen der Mediengesellschaft den Zerrspiegel vor. In seinem neuen Film "Der Diktator" schlüpft der naiv wirkende, aber ungemein bissige Komiker in die Rolle des Generaloberst Aladeen, einer dummdreisten Mischung aus Saddam Hussein, Mahmud Ahmadinedschad und Osama Bin Laden.
Unter dem scheinheiligen Vorwand, in seinem diktatorisch geführten Land Wadiya umfassende Reformen zur Demokratisierung zu planen, kommt Aladeen nach New York, um vor den Vereinten Nationen zu sprechen. In Wirklichkeit will er sich über den gutgläubigen Westen lustig machen, für sein umstrittenes Atomprogramm werben und seine Macht demonstrieren. Doch dann wird der Diktator entführt und durch einen Ziegenhirten als Doppelgänger ersetzt. Aladeen kann fliehen und findet Unterschlupf in einem alternativen Bio-Lebensmittelladen, wo er sich in die kurzhaarige Geschäftsführerin (Anna Faris) verliebt, die er zuerst für einen kleinen Jungen hält.
Um seinen neuen Film wirkungsvoll zu bewerben, ließ sich Sacha Baron Cohen jüngst bei der Oscar-Verleihung auf dem roten Teppich als Generaloberst Aladeen in voller Montur blicken. Im Gepäck hatte er eine goldene Urne mit der Asche seines kürzlich verstorbenen Freundes Kim Jong Il, die er - ganz aus Versehen - über einem ahnungslosen Reporter entleerte. Der "geliebte Führer" aus Nordkorea war schließlich bekanntermaßen ein großer Filmfreund und hatte immer den Wunsch, zu den Oscars nach Hollywood zu kommen.
Solche geschmacklosen Werbemaßnahmen gehören zum Gesamtpaket des Films und sind nötig, weil Sacha Baron Cohen prinzipiell keine Interviews gibt, um sich und seine schmerzhaft lebensechten Kunstfiguren zu schützen. "Der Diktator", sein neuer Film, hat allerdings weniger mit "Borat" als mit "Die Nackte Kanone" gemein. Cohen und Regisseur Larry Charles, die bereits bei "Borat" und "Brüno" zusammengearbeitet haben, verlassen die unberechenbaren Pfade der Pseudo-Dokumentation und liefern einen inszenierten Spielfilm.
Vergnügliche Polit-Satire mit aufklärerischem Anspruch
Herausgekommen ist ein mit nur 77 Minuten Länge dramaturgisch zugespitztes Gag-Feuerwerk, das mit Schauspielern wie Ben Kingsley, Megan Fox und John C. Reilly prominent besetzt ist. "Der Diktator" ist eine vergnügliche Polit-Satire mit aufklärerischem Anspruch. Dem Film fehlt aber das umstürzlerische Potenzial von Charlie Chaplins "Der große Diktator". Der anarchistische Charme des Guerilla-Filmemachens versickert im derben, aber harmlosen Fäkalhumor. Höchstens die echten Diktatoren dieser Welt werden sich vielleicht von der viel zu liebenswerten Witzfigur Aladeen auf den Schlips getreten fühlen.
So zeigt sich, dass Sacha Baron Cohen mit seinem Konzept der entwaffnenden Respektlosigkeit am Ende ist. Der Brite ist längst bekannt wie ein bunter Hund, und seine potenziellen Opfer sind bei seinem Erscheinen dementsprechend vorgewarnt. Deshalb blieb schon bei "Brüno" die Spontanität und Brisanz seiner Aktionen auf der Strecke. Cohen tut also gut daran, sich für die Zukunft auch als ordentlich kontrollierbarer Schauspieler zu etablieren.
Dass er das Potenzial dazu hat, stellte er bereits in Tim Burtons Grusel-Musical "Sweeney Todd" und Martin Scorsese's "Hugo Cabret" unter Beweis. Auch wenn mit "Der Diktator" seine Tage als anarchistisches Chamäleon gezählt sein sollten, wird Sacha Baron Cohen uns sicher auch in Zukunft munter auf der Nase herumtanzen.
USA 2012. R: Larry Charles. B: Sacha Baron Cohen, Alec Berg, David Mandel, Jeff Schaffer. Mit: Sacha Baron Cohen, Megan Fox, Anna Faris, Ben Kingsley, John C. Reilly, B. J. Novak, Olivia Dudley. L: 109 Min.