Die Zahl der Kirchenasyle ist 2023 weiter gestiegen. Dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wurden im vergangenen Jahr 1.514 Fälle gemeldet, wie aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Clara Bünger hervorgeht, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Im Jahr davor lag die Zahl der gemeldeten Kirchenasyle bei 1.243, 2021 gab es 822 Fälle.
Wie aus den Zahlen weiter hervorgeht, führen die Fälle nur selten zu Erfolg auf offiziellem Weg. Nur in neun Fällen machte demnach das Bundesamt im vergangenen Jahr vom sogenannten Selbsteintrittsrecht Gebrauch, das heißt, es übernahm die Zuständigkeit für die schutzsuchende Person, für deren Asylverfahren eigentlich ein anderes EU-Land zuständig gewesen wäre. Bei der überwiegenden Mehrheit der Fälle im Kirchasyl geht es darum, eine Überstellung in einen anderen EU-Staat zu verhindern. Auch in den Jahren zuvor war die Zahl der Selbsteintritte gering.
In 313 Fällen wurde 2023 die mit dem Kirchenasyl verbundene Bitte, eine Person nicht abzuschieben, negativ beschieden. Mehr als 1.100 Fälle erledigten sich auf andere Weise, "maßgeblich durch Ablauf der Überstellungsfrist", wie es in der Antwort heißt. Läuft diese Frist ab, ist automatisch Deutschland für das Asylverfahren zuständig. Sie liegt regulär bei sechs Monaten. Wenn die betreffende Person als "flüchtig" angesehen wird, kann die Frist auf 18 Monate verlängert wurden. Ein politischer Versuch, dies auch auf Kirchenasyle anzuwenden, wurde gerichtlich gerügt. Das Bundesverwaltungsgericht wies dabei darauf hin, dass der Aufenthaltsort der Personen im Kirchenasyl bekannt ist.
Kirchenasyl als Hilfe in Härtefällen
Die Kirchen sehen das Angebot für Asyl in ihren Räumlichkeiten als Hilfe in Härtefällen. Kirchengemeinden stellen dafür Gemeindegebäude oder kircheneigene Wohnungen zur Verfügung. Mitarbeitende und vor allem Ehrenamtliche übernehmen auch die Versorgung der Schutzsuchenden, die das Gelände für die Zeit des Kirchasyls nicht verlassen können. Die Gemeinden erstellen Falldossiers und bitten damit das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge um erneute Prüfung der Fälle.
Bünger sagte, der deutliche Anstieg von Kirchenasyl-Fällen zeige, dass eine zunehmende Zahl geplanter Abschiebungen in andere EU-Länder als unzumutbar angesehen wird. Dass nur so wenige dieser Fälle vom Bundesamt akzeptiert würden, sei "beschämend". "Die Erfolgsquote beim Kirchenasyl soll offenbar unter allen Umständen niedrig gehalten werden", kritisierte die Abgeordnete und ergänzte: "Wichtige humanitäre Erwägungen finden beim Bundesamt nur in extremen Ausnahmefällen Gehör, das muss sich ändern."
Bünger erkundigte sich in ihrer Frage auch nach der Zahl der sogenannten Dublin-Überstellungen. Nach der Dublin-Regelung ist das EU-Land für Aufnahme und Asylverfahren zuständig, über das Schutzsuchende eingereist sind - oder dort zuerst registriert wurden. Nach den Zahlen des Bundesinnenministeriums stellte Deutschland im vergangenen Jahr fast 75.000 Übernahmeersuchen an andere Mitgliedstaaten, während es gut 15.500 Flüchtlinge aus anderen Ländern übernehmen sollte. Tatsächlich erfolgt sind den Angaben zufolge nur 5.053 Überstellungen aus Deutschland, während wiederum 4.275 Flüchtlinge aus anderen Ländern übernommen wurden.