Während draußen gelb knospende Ahornbäume beschnitten werden, prüfen in einem Raum in den Teltower Diakonischen Werkstätten die "Controlletti" Übersetzungen komplizierter Texte in Leichte Sprache. Aufträge erhalten sie in der Regel von Brandenburger Behörden. Ausstellungstexte waren auch schon dabei. Für die Leiterin des Brandenburger Prüfbüros für Leichte Sprache, Jolika Sudermann van den Berg, sind die "Controlletti" wegen ihrer Schwierigkeiten mit sogenannter schwerer Sprache Experten: "Sie lernen in einem Workshop zu sagen, das ist zu schwer, bitte schreib es um."
Leichte Sprache soll unter anderem mit einfachen Wörtern, kurzen Sätzen und ohne Fremdwörter Menschen mit geringen Lesefähigkeiten die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erleichtern. Darunter sind Personen mit Beeinträchtigungen oder geringen Deutschkenntnissen. Die neun "Controlletti" klopfen die Texte auf unverständliche Passagen ab. In einem Kurs lernen sie zuvor die Regeln für Leichte Sprache, wie Bilder als Illustrationen eingesetzt werden und welche Qualitätsmerkmale eine zertifizierte Übersetzung beinhalten muss.
In Leichte Sprache übersetzte Texte werden bei ihren wöchentlichen Sitzungen am Computer aufgerufen und auf eine große Leinwand übertragen. Anschließend werden die Texte Satz für Satz laut vorgelesen. Wenn einer oder eine von ihnen etwas nicht versteht, wird nach einer verständlichen Variante gesucht. Am Ende stimmt die Gruppe über jede Textpassage und jeden Veränderungsvorschlag ab. Bei einem Text über Brandenburgs Landesaktionsplan zur Gewalt gegen Frauen und Kinder wird statt "digitale Gewalt" "Gewalt im Internet" vorgeschlagen. Als Alternative für einen Mann, der eine Frau schlägt, "weil ich ein Mann bin und der Bestimmer" einigen sich die Prüfer auf eine Version, die sprachlich alle überzeugt: "Ich bestimme über dich, weil ich der Mann bin." Grundsätzlich wird zweimal geprüft, das erste Mal die Übersetzung in Leichte Sprache, das zweite Mal der Text mit eingearbeiteten Verbesserungen.
Während draußen vor dem Fenster die Gartenarbeiten weitergehen und eine junge Frau geschnittene Äste auf eine Schubkarre lädt, geht ab und zu die Tür zu dem Raum mit der langen Tischrunde auf. Ein neugieriges Gesicht zeigt sich kurz und zieht sich wieder zurück. Die "Controlletti" bringt das nicht aus der Ruhe. Manchmal brechen sie bei ihrer Arbeit in schallendes Gelächter aus, etwa beim Anblick einer Text-Illustration mit dem Bild eines Mannes, der als Beispiel für einen Stalker scheinbar völlig entspannt vor einem Haus steht.
Tobias Glaumann sitzt im Rollstuhl an einem der hufeisenförmig vor der Leinwand aufgestellten Tische. "Es gibt viele Leute, die so wie wir sind, die nicht so gut verstehen, bei Ärzten, Krankenhäusern, Polizei, vor Gericht, bei den Behörden", sagt er. Sein Kollege Michael Millarch findet Angebote in Leichter Sprache wichtig, damit Menschen mit Beeinträchtigungen "auch selber mal einen Antrag bei einer Behörde ausfüllen können und nicht immer erst einen Betreuer oder Familienangehörige fragen müssen". Cindy Knoke betont, wenn die Prüfung eines Textes abgeschlossen ist, sei es "ein schönes Gefühl, dass man weiß, das versteht jetzt jeder". Die Gruppe hat sichtlich Spaß an der Arbeit mit Texten und Bildern, die das Verständnis erleichtern sollen.
Die Leiterin des Prüfbüros in Teltow (Kreis Potsdam-Mittelmark) äußert sich beeindruckt über das Selbstbewusstsein der Gruppenmitglieder und ihre Solidarität untereinander. Wenn nur ein Teil von ihnen anwesend sei, dächten viele von ihnen für die Abwesenden mit anderen Beeinträchtigungen mit und forderten stellvertretend für sie Änderungen, sagt van den Berg: "Wenn wir einen Text fertig haben, wird immer viel gejubelt und applaudiert."