Für die evangelische Nordkirche ist es "kein Drama", dass das Karfreitags-Tanzverbot in Hamburg künftig nicht mehr 24, sondern nur noch 19 Stunden gilt. Die Kirche könne mit den veränderten Randzeiten leben, wichtig sei ihr vielmehr "dass dieser stille Tag und sein Kern geschützt bleiben", sagt Thomas Kärst, Landeskirchlicher Beauftragter bei Senat und Bürgerschaft der Stadt Hamburg, gegenüber dem Evangelischen Pressedienst. Der Senat habe den Beschluss in Abstimmung mit der evangelischen und der katholischen Kirche gefällt, sagte Senatssprecher Marcel Schweitzer.
Das sogenannte Karfreitags-Tanzverbot gilt in der Stadt künftig nur noch von 5 bis 24 Uhr statt wie bisher von 2 bis 2 Uhr. Das beschloss der Hamburger Senat am Dienstag. Der leitende Pressesprecher der Nordkirche, Dieter Schulz, erläutert, der Karfreitag als Tag der Kreuzigung Jesu werde bestimmt durch die Trauer über Gewalt, Leid, Folter und Tod. "Themen, die heute so präsent sind, wie lange nicht", erklärte Schulz bereits 2023 und sprach von einem wichtigen Grund, den Tag zum Anlass zu nehmen für Stille, Trauer und Innehalten auch im öffentlichen Raum.
Die zeitliche Anpassung des sogenannten Karfreitags-Tanzverbots entspricht nach Ansicht von Kristin Merle, Professorin für Praktische Theologie an der Universität Hamburg, den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen. Die Änderung der Hamburger Feiertagsschutzverordnung bedeute keine Aufhebung, und als es in politischen Statements im vergangenen Jahr um das Thema ging, sei immerhin der Begriff des "immateriellen Kulturerbes" gefallen, betonte Merle im Gespräch mit dem epd. "Das ist in diesem Zusammenhang ein hilfreicher Begriff, weil er vermittelt. Es geht um die Wertschätzung und Anerkennung überlieferten Wissens und kultureller Traditionen."
Theologinnen und Theologen müssten sich eingestehen, dass der Mensch heute "in einer Situation forcierter gesellschaftlicher Pluralität", also auch "weltanschaulicher Pluralität" lebe, sagt Merle. Selbst für einen Menschen, der mit christlicher Tradition nichts anfangen kann, könne es aber einen Grund geben, am Karfreitag aufs Feiern und Tanzen zu verzichten, findet die Theologie-Professorin. Er laute: gegenseitiger Respekt.
Parteien offen für Veränderungen
Die Linksfraktion und das Clubkombinat Hamburg, ein Zusammenschluss von Kneipen, Bars und Clubs, forderten bereits im vergangenen Jahr die komplette Abschaffung des Tanzverbots. Die Hamburger Feiertagsschutzverordnung, die unter anderem dieses Verbot regelt, stamme von 1957 und sei "veraltet", erklärte Norbert Hackbusch, kulturpolitischer Sprecher der Linksfraktion, auf epd-Anfrage. Dass sie Menschen verbiete, sich an bestimmten Tagen wie dem Karfreitag oder dem Totensonntag zu Musik zu amüsieren und zu bewegen, erscheine "geradezu absurd". Hackbusch sagte vor dem jetzt erfolgten Senatsbeschluss, die Linksfraktion wolle mit der erhofften Aufhebung "einen Schritt in Richtung offenere und diversere Gesellschaft gehen".
Neben den Linken zeigten sich im Vorwege des Senatsbeschlusses auf epd-Anfrage auch andere Fraktionen offen für Veränderungen. "Für uns sind die kirchlichen Feiertage nach wie vor von sehr hoher Bedeutung, gleichwohl ist es in Anbetracht des gesellschaftlichen Wandels an der Zeit, das in Hamburg seit 1957 geltende Tanz-/Musikverbot in seiner geltenden Form zu überprüfen", befand der innenpolitische Sprecher der CDU, Dennis Gladiator.
SPD-Fraktionsvorsitzender Dirk Kienscherf sagte, der Karfreitag sei zwar "für die christlichen Glaubensgemeinschaften einer der wichtigsten Tage des Jahres" und solle "als ruhiger Festtag gelebt werden", dem gegenüber stehe jedoch eine plurale Stadtgesellschaft mit diversen Glaubensgemeinschaften und unterschiedlichsten Bedürfnissen. "Insofern ist ein striktes Musik- und Tanzverbot heute erklärungsbedürftig", erklärte Kienscherf. Die Gesellschaft verändere sich, deshalb sei es richtig, bestehende Verordnungen zu prüfen.
Von Michael Gwosdz, religionspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, hieß es, die Grünen stellten den Karfreitag und seinen Schutz als stillen Tag nicht grundsätzlich infrage. In einer vielfältigen Großstadt wie Hamburg, in der die konfessionelle Bindung der Bevölkerung zurückgehe, sei jedoch "immer wieder neu zu bewerten, ob die konkrete Dauer der stillen Zeit noch zeitgemäß ist oder verkürzt werden sollte".