Der Titel des Buches lautet: "Warum ist der Buddha so dick? 101 Fragen und Antworten aus der Welt der Religionen". Es zeigt, dass nicht alles, was als Buddha verehrt wird, auch ein historischer Buddha ist. Kleiner Spoiler vorweg: Der Dickbauch-Buddha, den man aus Chinarestaurants kennt, ist eine Entwicklung aus China. Dort ist die Verehrung des Buddha mit dem Gott des Wohlstands zusammengewachsen. Dieser dicke "Budai" wird in China als Zeichen seines Wohlstands lachend mit einem sehr dicken Bauch dargestellt. In Japan gibt es ihn auch, dort heißt er Hotei.
Die Kunst des Theologen besteht darin, auf jede Frage nach einer religiösen Bedeutung kurz und knapp zu antworten. Im Büchlein ist das eine knappe Seite. Reinbold erklärt, dass Fragen und Antworten aus seinem Radioformat der Evangelischen Kirche von Niedersachsen stammen. "Da wird mir eine Frage gestellt und ich habe 60 Sekunden Zeit zu antworten", sagt er. Das seien Fragen, "die im journalistischen Alltag der Redaktion aufploppen oder die als Mail reinkommen".
Ein Beispiel: Eine Frage zielt auf den Ursprung des Antisemitismus: "Verschwörungstheorien - warum sind eigentlich immer die Juden 'schuld'?" Man hört Wolfgang Reinbold in der Antwort geradezu seufzen: "Der Antisemitismus ist die älteste, die langlebigste und die sozusagen »erfolgreichste« Verschwörungstheorie, die die Menschheit kennt. Schon in der Antike, weit vor dem christlichen Zeitalter, kannte man sie. Und es ist verblüffend, wenn man die alten Texte heute liest: Wie nahe das dem kommt, was man heute hören und lesen kann! Also etwa, dass die Juden sich untereinander helfen, alle anderen aber hassen. Das gibt es seit mehr als 2.000 Jahren."
Der Antisemitismus sei bis heute ein Problem, es gibt christlichen Antisemitismus auf der Grundlage, dass Juden doch Jesu getötet hätten und es gibt rassistische Begründungen. Die Folgen seien Pogrome gewesen und Vernichtungen jüdischer Menschen in unvorstellbarem Ausmaß. Reinbold weiß, dass das Thema ein Riesenproblem ist an Schulen. In Gespräch mit evangelisch.de wird er deutlich: "Es ist nicht Sache der Juden, sich um dieses Thema zu kümmern. Das ist eine Sache der Gesellschaft als ganzer und insofern eine große Herausforderung, die jetzt in ihrer Wucht noch mal deutlich geworden ist."
Versuch Grundwissen zu vermitteln
Seine 101 Fragen und Antworten sind auch der Versuch, ein Grundwissen zu vermitteln. Eine weitere Frage lautet: "Dürfen muslimische Männer wirklich mehr als eine Frau heiraten?" Die Antwort im Koran lautet: Ja! Aber die Ehe wird auf vier Frauen beschränkt. In Deutschland geht das nicht, hier gilt das Prinzip der Einehe. Ein heikles Thema. Reinbold schreibt:
"Allerdings gibt es immer wieder Fälle, dass muslimische Männer sagen, dass sie mehrere Frauen haben. Damit ist dann meistens gemeint, dass sie in der Moschee noch eine Zweitfrau geheiratet haben. Oder eine Drittfrau. Davon weiß der Staat aber nichts. Also: Es gibt ein Dunkelfeld. Und weil das so ist, sagen viele, insbesondere Frauenrechtsorganisationen: Der Staat muss da genauer hinsehen, damit diese Frauen in diesen sogenannten »Ehen« nicht benachteiligt werden. Zugleich ist wichtig zu betonen: Für die allermeisten Musliminnen und Muslime ist das überhaupt kein Thema. Für sie gilt die Regel: Ein Mann, eine Frau."
Regeln in Religionen und ihre Herkunft
Am spannendsten sind Fragen über die Bedeutung von Regeln in den Religionen. Denn es ist oft unklar, woher sie genau kommen. Und Reinbold gibt meist zuerst die Antwort aus dem traditionellen Volksglauben wieder und dann ergänzt er die Antworten zur Situation in der Moderne. So auch bei der Frage: "Warum beten Männer und Frauen in der Moschee getrennt voneinander?" Frauen und Männer beten demnach traditionell getrennt für sich, meist in verschiedenen Räumen der Moschee. Und die Worte des Imam werden per Lautsprecher meist in den Frauenraum übertragen. Reinbold schreibt im Buch, diese Trennung gibt es deshalb:
"Man sorgt sich, dass die Männer bei einem gemeinsamen Gebet auf sexuelle Gedanken kommen, wenn die Frauen vor ihnen beten und sich beim Gebet niederwerfen. Das möchte man vermeiden. Übrigens: Im Christentum war es früher nicht viel anders. Und im orthodoxen Judentum ist es bis heute so."
Der evangelische Theologe Reinbold ist schon lange im interreligiösen Dialog aktiv. Auch als Beauftragter für Kirche und Islam der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers pflegt er Kontakte in die Moscheegemeinden mit ihren Traditionen. Er ordnet auch das gemeinsame Beten in der Kirche als recht späte Errungenschaft ein, sagt er evangelisch.de: "In christlichen Gemeinschaften wurde Geschlechtertrennung in den Sitzbänken auch lange praktiziert, nur eben nicht mehr im Mainstream. " Die Änderung "in unserer christlichen, gerade evangelischen Praxis ist ja noch nicht lange her".
Und bei den Muslimen sei es üblich, dass Frauen und Männer getrennt beten. "Wenn Sie in eine Moschee gehen, werden Sie an 99 von 100 Orten getrennte Bereiche für Frauen und Männer finden", sagt Reinbold. Es gäbe im Grunde "eigentlich überhaupt keine einzige Moschee ohne Geschlechtertrennung" - ausgenommen die Moschee von Seyran Ates in Berlin". Alle anderen mit eigener Moschee machten die Trennung, sagt der Theologe.
Explosive Fragen
Manch harmlose Frage kann sich als kleines Pulverfass entpuppen. Zum Beispiel Frage 84: "Dürfen sich Musliminnen eigentlich schminken?"
Reinbold versucht das wiederzugeben, was er von Musliminnen gelernt habe. Nämlich eher zurückhaltend. Im Koran hieße es, dass Frauen ihren Schmuck vor den Blicken fremder Männer verbergen sollten (Sure 24,31).
"Das wird traditionell so ausgelegt, dass es die Haare betrifft – daher das Kopftuch – und ebenso die Lippen und die Haut. Also: Schminke und Lippenstift sind schwierig. Eindeutig verboten ist der Nagellack. Denn er bedeckt die Nägel so, dass kein Wasser an sie herankommt. Damit macht er die rituelle Waschung ungültig und auf diese Weise das Gebet als Ganzes. Das ist das, was in den Handbüchern (aus den Moscheen) steht."
Doch der Autor bekräftigt, dass er viele Musliminnen kenne, die das Kopftuch tragen und sich schminken. So schreibt er: "Wie bei all diesen Fragen gilt auch hier: In einem freien Land wie Deutschland entscheidet es am Ende jede Frau für sich selbst." So lautet seine Antwort auf Youtube – denn dort können die Leser die Antworten aus dem Radioformat noch einmal nachhören. Im Buch ist jeweils ein QR-Code abgedruckt.
Fazit: Das Buch ist hilfreich als erstes Basiswissen für religiös Interessierte. Und es kann neugierig machen, weiterzufragen. Für Feministinnen wäre das Buch an einigen Stellen vermutlich zu einseitig, obwohl Reinbold vorsichtig formuliert. Aber 60 Sekunden-Antworten sind auch eine Kunst und Herausforderung zugleich.
Wolfgang Reinbold, Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, 112 Seiten, 10 Euro.