Wenn am Pfingstsonntag (27. Mai) in Ratzeburg die Gründung der Nordkirche gefeiert wird, dann liegen fünf Jahre Sitzungs-Marathon hinter den Beteiligten. Dass alle entscheidenden Abstimmungen glatt über die Bühne gingen, ist bundesweit einmalig. Geschafft haben es die drei beteiligten Landeskirchen Mecklenburg, Nordelbien und Pommern aber auch nur, weil sie viele Kompromisse geschlossen haben.
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Bundesweit einmalig ist auch eine evangelische Landeskirche mit fünf Bischofssitzen. Zu den beiden nordelbischen Standorten Hamburg und Schleswig sollte eigentlich nur noch Greifswald für Mecklenburg-Vorpommern kommen. Doch der Mecklenburger Andreas von Maltzahn (50) bleibt übergangsweise bis 2019 Sprengelbischof in Schwerin. Er hatte bei seiner Wahl vor fünf Jahren noch angekündigt, bei einer Fusion von Mecklenburg und Pommern nicht mehr zur Wiederwahl anzutreten. Doch nun feiert Mecklenburg eine Fusion mit Pommern und Nordelbien - und damit war die Ankündigung für ihn hinfällig.
Stühlerücken bei den Bischöfen
Ob nun Hans-Jürgen Abromeit (57) Bischof in Greifswald bleibt, muss erst ein unabhängiges Kirchengericht in Hamburg klären. Zwei pommersche Synodale haben gegen die umstrittene Amtsverlängerung durch den Bischofswahlausschuss geklagt.
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Dritter Bischof mit Sitz in Mecklenburg-Vorpommern wird der Landesbischof in Schwerin, der im kommenden Jahr gewählt werden soll. Favorit ist der Schleswiger Bischof Gerhard Ulrich. Er ist bereits Vorsitzender der Gemeinsamen Kirchenleitung der Nordkirche und hat die Fusion mit hohem Engagement vorangebracht. Ulrich genießt Vertrauen in Ost und West, ist volksnah, medienerfahren und hat bewiesen, dass er sich bei Konflikten nicht wegduckt. Ungeklärt ist allerdings die Frage, ob der 61-Jährige das schwierige Amt überhaupt übernehmen möchte oder lieber Bischof in Schleswig bleiben will.
Zu den umstrittensten Kompromissen zählt die Trennung zwischen dem Sitz des Landesbischofs in Schwerin und dem Kirchenamt in Kiel. Nordelbien hatte 2007 - begleitet von heftiger Kritik - den Bischofssitz in Lübeck gestrichen, um einen zentralen Landesbischof im Kieler Kirchenamt zu installieren. Dessen Wahl wurde allerdings verschoben. Zentrum der Nordkirche mit Landesbischof und Kirchenamt sollte anfangs Lübeck werden. Aber vor allem die Mitarbeiter des Kieler Kirchenamtes wussten dies zu verhindern: Sie hätten mit viel Arbeit eine Kirchengründung vorbereiten dürfen, um dann am Ende ins ungeliebte Lübeck ziehen zu müssen.
Bauchschmerzen beim kirchlichen Arbeitsrecht
Ein Kompromiss mit Bauchschmerzen ist auch das Arbeitsrecht. In Hamburg und Schleswig-Holstein werden Gehälter, Arbeitszeit und Urlaubstage der Angestellten von Gewerkschaften und dem kirchlichen Arbeitsgeberverband ausgehandelt ("Zweiter Weg"). In Mecklenburg und Pommern verhandeln Kirchenleitung und Arbeitnehmervertreter dagegen in einer Gemeinsamen Kommission ("Dritter Weg"). Beide Wege bleiben vorerst parallel für sechs Jahre erhalten. Bischof Abromeit hat unterdes versprochen, dass die Unterschiede im Gehaltsniveau in zwei Jahren beseitigt würden.
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Wacker gekämpft haben die Pommern für ihre "Ewigkeitsklausel". Ihr Kirchenkreis darf auch die nächsten Jahrhunderte nicht ohne Billigung der Pommern selbst aufgelöst werden. Pommern ist in der Nordkirche vor Dithmarschen der zweitkleinste Kirchenkreis.
Auch der Festort Ratzeburg ist Sinnbild für einen Kompromiss: Die Stadtkirche zählt bislang zu Nordelbien, die Domhalbinsel jedoch traditionell zur Landeskirche Mecklenburg. Auch künftig wird der Dom seine Sonderstellung behalten. Der Domgeistliche Gert-Axel Reuß darf sich als einziger Mensch in der Nordkirche auch künftig "Domprobst" nennen - nach alt-mecklenburgischer Schreibweise mit "b". Bundespräsident Gauck, ehemals mecklenburgischer Pfarrer, wird daher den Festgottesdienst und das Gastmahl auf einer heimischen Kircheninsel erleben.