Ein Geflüchteter hält eine Debitkarte in der Hand.
Philipp von Ditfurth/dpa
Flüchtlinge ohne deutsches Bankkonto erhalten in Deutschlnad künftig eine Debitkarte zum Bezahlen ohne Bargeld.
Bezahlkarte für Geflüchtete
Referentin der Nordkirche: "Geflüchtete werden entmündigt"
Asylsuchende werden künftig kein Bargeld, sondern Bezahlkarten bekommen. Hamburg gibt die Karte bereits seit Mitte Februar aus. In Schleswig-Holstein soll sie bis Ende des Jahres eingeführt werden. Mecklenburg-Vorpommern geht bei der Vergabe eigene Wege und plant die Einführung ab Oktober.

Die Referentin für Flucht und Menschenrechte der Nordkirche, Katherine Braun, kritisiert die geplanten Einschränkungen bei der Bezahlkarte. "Damit werden die Betroffenen entmündigt", sagte sie dem Evangelischen Pressedienst.

epd: Was halten Sie von der Einführung der Bezahlkarte für Geflüchtete?

Katherine Braun: Die Bezahlkarte kann für Geflüchtete in Erstaufnahmeeinrichtungen, die noch kein eigenes Konto haben, sinnvoll sein und auch Kommunen entlasten. Voraussetzung ist aber, dass die Betroffenen nicht entmündigt und Verwaltungen wirklich entlastet werden. Aktuell geht es jedoch eher um die Reaktion auf populistische Stimmungsmache, die auf dem Rücken von Schutzsuchenden ausgetragen wird. So wie die Bezahlkarte jetzt geplant ist, schränkt sie Grund- und Menschenrechte ein und verstärkt Diskriminierungen. Die Karte soll Bargeldauszahlungen begrenzen, keine Kontofunktion haben und die Kommunen können die Nutzung nach Postleitzahlen einschränken.

"Aktuell geht es jedoch eher um die Reaktion auf populistische Stimmungsmache, die auf dem Rücken von Schutzsuchenden ausgetragen wird." 

Was bedeutet das für die Geflüchteten?

Braun: Wer kein eigenes Konto hat, profitiert davon, dass er in Erstaufnahmeeinrichtung nicht mehr in langen Warteschlangen auf die Auszahlung warten muss. Wenn die Bezahlkarte Einschränkungen hat, haben Asylsuchende aber vor allem Nachteile: Zahlungen in Online-Shops, in Sozialkaufhäusern, auf Flohmärkten, im Schul-Kiosk und in kulturellen Einrichtungen sind nicht möglich. Menschen werden gezwungen, nur in bestimmten Geschäften einzukaufen. Noch dazu können sie von Kommunen kontrolliert werden. Im Kontext populistischer Stimmungen könnte das auch in Straflust münden.

"Dass durch Einschränkungen 'Anreize' für eine Flucht nach Deutschland verhindert werden sollen, ist fast zynisch."

Wie wird sich Migration durch die Bezahlkarte verändern?

Braun: Dass durch Einschränkungen "Anreize" für eine Flucht nach Deutschland verhindert werden sollen, ist fast zynisch. Die Bezahlkarte wird Menschen auf der Flucht vor Gewalt, Verfolgung, Armut und den Auswirkungen der Klimakrise nicht davon abhalten, bei uns Schutz zu suchen. Menschen kommen vor allem wegen Rechtssicherheit, fairen Asylverfahren und Achtung der Menschenrechte nach Deutschland. Der aktuelle populistische Tonfall in der Debatte schreckt aber viele ausländische Fachkräfte ab, die deutsche Unternehmen dringend brauchen. Das kann sich dieses Land eigentlich nicht leisten.

Bezahlkarte

Geflüchtete in Deutschland sollen einen Teil der staatlichen Leistungen künftig über eine Bezahlkarte, nicht mehr als Bargeld bekommen. Die Bezahlkarte hat bundesweit einheitliche Mindeststandards, über Zusatzfunktionen entscheiden die Bundesländer selbst. 14 von 16 Bundesländer haben sich im Januar auf ein gemeinsames Vergabeverfahren geeinigt. Mecklenburg-Vorpommern geht, ebenso wie Bayern, einen Sonderweg.
Lediglich das Vergabeverfahren wird in MV anders geregelt, da sich Innenminister Christian Pegel (SPD) dadurch ein schnelleres Ergebnis erhofft. Die Bezahlkarte soll ab Oktober an Geflüchtete im Land ausgegeben werden können.
Inhaltlich soll das System der Bezahlkarte auch in MV die bundesweiten Mindeststandards haben. Die Karte wird die Barauszahlung an Geflüchtete in Teilen ersetzen. Überweisungen sollen nicht möglich sein.