Julia Berse ist niedersachsenweit die jüngste Kandidatin der noch bis zum 10. März laufenden Kirchenvorstandswahlen. "Ich bin neugierig auf das, was im Gemeindekirchenrat besprochen wird und ich will, dass Frauen und queere Menschen in der Kirche mehr respektiert werden", sagt die selbstbewusste Schülerin und fügt kämpferisch hinzu: "Nach meinem Eindruck ist die Gleichberechtigung in den Kirchengemeinden noch nicht überall angekommen."
Julia tritt in ihrer Kirchengemeinde in Cloppenburg an, die zur oldenburgischen Kirche gehört. Sie ist damit sogar die jüngste Kandidatin, die in der Geschichte der niedersächsischen Kirchen zur Wahl steht. Denn erstmals haben in der oldenburgischen und der hannoverschen Kirche schon diejenigen das aktive Wahlrecht, die wie Julia bei Amtsantritt im Frühsommer 16 Jahre alt sind. Auch bundesweit ist das noch selten. In der hannoverschen Landeskirche sind 68 Kandidatinnen und Kandidaten von insgesamt 7.411 unter 18 Jahre alt. In der oldenburgischen Kirche sind es 14 von 1.044.
Dort heißt das Leitungsgremium Gemeindekirchenrat. Frauen und queere Menschen hätten es in der CDU-Hochburg Cloppenburg nicht leicht, sagt Julia. "Dumme Sprüche und Kommentare sind überall zu hören." Insbesondere bei ihren männlichen Mitschülern stoße sie mit ihrer Kandidatur in der streng katholisch geprägten Region auf Widerspruch. "Das kann auch ganz schön beleidigend werden. Aber deren Meinung ist mir nicht wichtig."
In ihrer Gemeinde gebe allerdings auch viele nette und interessante Menschen, sagt Julia und grinst fröhlich. Einer der Pastoren sei ein Freund der Familie und sogar ihr Taufpate. "Der hat mich auch gefragt, ob ich nicht antreten will."
Die Themen Kirche und Glaube spielten zu Hause eigentlich immer eine Rolle. Schließlich ist Julias Mutter bereits seit 2018 im Gemeindekirchenrat und kandidiert erneut für das Gremium. Passendes Timing: Bei dieser Wahl ist es erstmals erlaubt, dass Ehepartner oder andere Familienmitglieder gleichzeitig dem Gremium angehören.
"Doch, es ist schon cool an Gott zu glauben."
Die Sache mit dem Glauben ist für Julia noch nicht ganz ausdiskutiert: "Diese ganzen Regelungen etwa im Alten Testament über Speisen und was weiß ich noch was - das finde ich nicht so gut." Es gebe so einiges, was sie kritisch sehe. "Und da frage ich auch zwei-, dreimal nach. Oder ich lese mir die Stelle in der Bibel noch einmal selbst durch." Doch unterm Strich gebe ihr der Glaube Halt. "Vor allem die Sache mit der Nächstenliebe, da kann ich hundertprozentig zustimmen. Doch, es ist schon cool an Gott zu glauben."
In ganz Niedersachsen sind derzeit gut 2,6 Millionen Kirchenmitglieder in rund 2.000 Gemeinden aufgerufen, ihre Stimmen abzugeben. Zur Wahl stehen mehr als 10.000 ehrenamtliche Kandidatinnen und Kandidaten in den evangelisch-lutherischen Landeskirchen Hannover, Oldenburg, Braunschweig und Schaumburg-Lippe sowie in der Evangelisch-reformierten Kirche mit Sitz in Leer.
Nur wenige Landeskirchen lassen Jugendliche kandidieren
In der großen Mehrheit der 20 evangelischen Landeskirchen in Deutschland muss 18 Jahre alt sein, wer sich in dem Leitungs-Gremium engagieren möchte. Nur einzelne von ihnen wie Berlin-Brandenburg oder Baden lassen schon länger Jugendliche ab 16 zu. Andernorts dürfen junge Menschen als Delegierte beratend zur Seite stehen, haben aber kein Stimmrecht. Die Kirchenvorstände leiten zusammen mit den Pastorinnen und Pastoren die Kirchengemeinden. Sie sind für deren inhaltliche Ausrichtung ebenso verantwortlich wie für Gebäude, Ländereien, Friedhöfe, Personal und Finanzen. Alle sechs Jahre entscheidet die Kirche über die Besetzung.
Julia geht optimistisch davon aus, dass sie genug Stimmen bei der Wahl erhält. Und sie ist fest davon überzeugt, ihren Gemeindekirchenrat mit ihren Gedanken und Einstellungen bereichern zu können. Sie halte es da ganz mit ihrem Konfirmationsspruch aus dem Markus-Evangelium, der quasi ihr Lebensmotto sei, sagt sie, und zitiert: "Alles ist möglich dem, der da glaubt."