"Ich fühlte mich hier in Berlin als Einzelkämpfer, weil ich eigentlich nur vereinzelt Schwarze Deutsche gesehen hatte", erzählt Yero Adugna Eticha, der vor 25 Jahren in die Hauptstadt kam. Mit diesem Gefühl war im Juni 2020 Schluss! Nach dem Mord am Afro-Amerikaner George Floyd in den USA ging ein Beben durch die Gesellschaft: Unter dem Motto "Black Lives Matter" folgten zahlreiche Demos weltweit, um auf die willkürliche Polizeigewalt gegenüber schwarzen Menschen aufmerksam zu machen.
An der Demo im Juni 2020 in Berlin nahm auch Yero Adugna Eticha teil. "Ich habe plötzlich ganz viele schwarze Deutsche gesehen und gedacht, du bist nicht alleine!", erzählt der gebürtige Äthiopier. Insgesamt 15.000 Menschen haben laut Polizeiangaben vor fast vier Jahren auf dem Alexanderplatz demonstriert, um auf Rassismus gegenüber schwarzen Menschen aufmerksam zu machen. Ein Rassismus, den Yero bereits seit vielen Jahren kannte. "Es sind meist die kleinen Handlungen, winzige Bemerkungen, die ich immer versucht habe, zu ignorieren", erzählt Yero. Er hat sich damit abgefunden, Strategien entwickelt, damit er überleben kann.
Der Mord an George Floyd und die anschließenden Demonstrationen haben ihn aufgeweckt und auf eine Idee gebracht. "Ich habe gedacht: 'Diese vielen Schwarzen Deutschen, die hier in Berlin wohnen, denen geht es vielleicht wie mir!' und ich wollte mehr über ihr Leben, ihre Träume und ihre Erfahrungen wissen", erzählt Yero. "Ich hatte dann die Idee, Flugblätter zu verteilen, auf denen ich die Menschen einlud, sich von mir fotografieren zu lassen."
Die Neugier in ihm als Fotograf war geweckt und die Menschen kamen in sein Foto-Atelier. Oft ging der eigentlichen Foto-Session ein langes Gespräch voraus. "Ich wollte die Menschen kennenlernen, ihre Geschichten hören. Natürlich hatte ich selbst viele Fragen, wollte selbst auch viel erzählen. Aber das Zuhören hat mir auch sehr viel gegeben, weil ich mehr über mich selbst erfahren habe", so Yero. "Woher die Menschen kamen, wo sie ihre Wurzeln haben, war für mich unwichtig! Wichtig war, dass sie sich als Schwarze Deutsche entschieden haben, meine Einladung anzunehmen!"
Nach ihrem Volontariat in der Pressestelle der Aktion Mensch arbeitete Alexandra Barone als freie Redakteurin für Radio- und Print-Medien und als Kreativautorin für die Unternehmensberatung Deloitte. Aus Rom berichtete sie als Auslandskorrespondentin für Associated Press und für verschiedene deutsche Radiosender. Heute arbeitet sie als freie Journalistin, Online-Texterin und Marketing-Coach. Seit Januar 2024 ist sie als Redakteurin vom Dienst für evangelisch.de tätig.
Über 500 Menschen kamen zu Yero Adugna Eticha, alle mit einem ganz individuellen Hintergrund, mit eigenen Geschichten und Träumen. "Doch alle wollten ihr `Black-Sein` ausdrücken und der Gesellschaft zeigen: 'Hier bin ich! Ich habe einen ganz normalen Job, ein ganz normales Leben und wohne hier in Berlin!' - so wie ich selbst", erzählt Yero und lacht. "Ich will mit meinem Projekt mit Vorurteilen abrechnen, der Gesellschaft zeigen, dass wir ganz normale Menschen sind – wir sind Deutsche, wir sind Berliner!" Seit 2020 hat der gebürtige Äthiopier zahlreiche Audio-Aufnahmen und rund 500 Porträts von verschiedenen Menschen gesammelt. Diese Sammellandschaft ist auch dem Freiraum für Fotografie (f3) aufgefallen, der seit 2017 in seinen Räumen in Kreuzberg Ausstellungen mit verschiedenen Künstlern organisiert.
"Yero ist Alumni an der Ostkreuzschule für Fotografie, an der ich selbst studiert habe und zurzeit auch lehre", erklärt Kuratorin Miriam Zlobinski. Einer der wichtigsten Gründe, warum die Auswahl auf Yero fiel, war aber sein Projekt: Dieses schafft eine Sichtbarkeit für eine Gruppe von Menschen, die immer noch nicht wie selbstverständlich in Berlin leben kann, sondern Angriffen und Rassismus ausgesetzt ist.
"Fasziniert hat mich vor allem die Sammelleidenschaft und Arbeitsweise von Yero, denn er schafft eine Gruppe, die aber keine geschlossene Gruppe ist", erklärt Miriam Zlobinski. "Er schafft aber eine gruppenübergreifende Wahrnehmung, die zeigt: Wir sind viele und wir gehören zu dieser Stadt!" Das bringe er vor allem durch die Menge der Bilder zum Ausdruck, so Zlobinski. Eben diese Menge war auch die größte Herausforderung beim Kuratieren. "Es galt, diese Diversität, die Yero in seinen Porträts zeigt, zu beachten und abzubilden. Dies ist mir nur dank des Dialoges mit Yero gelungen!"
In diesem gemeinsamen Dialog haben beide zwei wichtige Konzepte erarbeitet, denn "Black in Berlin" zeigt nicht nur die Porträts von Schwarzen Deutschen, die in Berlin wohnen. Unter dem Titel "Träume" werden auch ganz persönliche Ansichten der Porträtierten gezeigt. Zusätzlich liegen auch Texte aus, mit den Erfahrungen und Berichten der Porträtierten, die die Besucher zum Reflektieren einladen sollen. "Mit dieser Ausstellung wollen wir eine Brücke schaffen, zum Diskurs einladen, zwischen der schwarzen Community und der `weißen`. Wir bringen bewusst den Elefanten in den Raum, über den alle reden wollen, aber keiner sich traut", erklärt Zlobinski. Wir haben daher auch einen Teil der Fragen, die Yero den Fotografierten gestellt hat, ausgelegt. Damit viele auch den Mut finden, sich und anderen Fragen zu stellen, die sie aufgrund von Berührungsängsten nie stellen würden!"
ERÖFFNUNG: Donnerstag, 22. Februar 2024, 19 Uhr, im Freiraum für Fotografie (f3), Waldemarstraße 17 in 10179 Berlin
AUSSTELLUNG: 23. Februar bis 10. März 2024
Anlässlich des Black History Month erscheint parallel zur Ausstellung das gleichnamige Foto-Buch im Distanz-Verlag.