Die Fastenaktion der evangelischen Kirche "Komm rüber! Sieben Wochen ohne Alleingänge" ist mit einem Fernsehgottesdienst eröffnet worden. "Der Karneval ist vorbei und die Fastenzeit hat begonnen", sagt der hannoversche Landesbischof Ralf Meister in der Kirche St. Marien in Osnabrück. "Sieben Wochen bis Ostern. Sieben Wochen, in denen Menschen ihre Zeit anders gestalten wollen. Sie fasten. Sie verzichten oder sie wollen bewusst sich selbst und anderen etwas gönnen und geben."
"Komm rüber!" Das sei mehr als ein Satz, nach dem Einsame sich sehnten und von dem Überlastete genervt seien, sagt Meister in seiner Predigt. Es sei ein Satz, der Menschen zusammenbringe. Meister, der zugleich Botschafter der Fastenaktion ist, betonte, in diesen Wochen und Monaten hörten viele Menschen ein "Kommt!". "Hunderttausende fühlen sich derzeit auf die Straße gerufen. Am dritten Januarwochenende sollen es mehr als eine Million Menschen gewesen sein. Ein Ruf, dem viele Gehör schenken. 'Komm!' Es ist dringend! Unsere Demokratie, unsere Freiheit, unsere Mitmenschen brauchen dich."
Doch "Komm rüber!" sei nicht immer ein Ruf, der ins Gute führe, mahnt Meister. "'Komm rüber!' kann auch eine dunkle Seite haben. Vertrauen wird gebrochen. Das gilt, so wissen wir, besonders für sexualisierte Gewalt in der Kirche. Es ist zutiefst beschämend, wie sehr Beschuldigte und Verdächtige ihr Amt und das in sie gesetzte Vertrauen missbrauchten." Bewusst seien Grenzen von Kindern und Erwachsenen überschritten und ihnen Gewalt angetan worden. "Und wir haben viel zu lange Augen und Ohren verschlossen. Wir haben die Rufe der Betroffenen nicht gehört." Daher gelte es, aufmerksam zu prüfen: "Wer ruft mich? Wem kann ich vertrauen?"
Pastorin Andrea Kruckemeyer gestaltete den Gottesdienst, der Sonntagmorgen im ZDF übertragen wurde, rund um das Thema Alleingänge. So ging es etwa um die Frage, wie sich eine Balance zwischen Alleinsein und der Gemeinschaft mit anderen herstellen lasse: "Wann wird das Alleinsein zum Alleingang? Und was hindert mich daran, auf andere zuzugehen?" Im Gottesdienst erzählten verschiedene Helfer davon, wie durch Gemeinschaft Vorurteile verschwanden und sich neue Handlungsmöglichkeiten eröffneten.
In der Fasten- oder Passionszeit erinnern Christen an das Leiden und Sterben Jesu Christi und bereiten sich auf Ostern vor, auf die Botschaft von der Auferstehung. Die evangelische Aktion "7 Wochen Ohne" soll helfen, diese Wochen bewusst zu erleben und zu gestalten. Sie wurde 1983 gegründet. Die diesjährige Aktion setzt bis Ostern sieben Wochenthemen: "Miteinander gehen", "Mit den Liebsten", "Mit denen da drüben", "Mit der Schöpfung", "Mit der weiten Welt", "Mit den Anvertrauten" und "Mit Gott".
Der Gottesdienst zur Eröffnung der Fastenaktion des katholischen Hilfswerks Misereor in Ludwigshafen wurde in der ARD übertragen. Der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann rief in der Kirche St. Ludwig zur Solidarität mit Menschen im globalen Süden auf, die benachteiligt und ausgebeutet würden. Wiesemann kritisierte im Gottesdienst die "erschreckende Gleichgültigkeit vieler Menschen, die sich keinen Deut darum scheren, wie es den Bauern in Kolumbien und allen Ländern des globalen Südens geht".
Kaffee, Bananen und Orangen würden unter teilweise unmenschlichen Bedingungen angebaut, die Bauern seien Opfer von globalen wirtschaftlichen und politischen Mechanismen. Der Bischof appellierte, wachsam zu sein in Bezug auf Bestrebungen, die Demokratie, Vielfalt und Solidarität verächtlich machen wollten. Das katholische Hilfswerk Misereor sammelt bei seiner Aktion unter dem Motto "Interessiert mich die Bohne" bis zum 17. März Spenden für kolumbianische Kleinbäuerinnen und - bauern.