Ungewohntes Setting in der Berliner St. Matthäus-Kirche direkt neben der Neuen Nationalgalerie: Die Sitzbänke haben ihren angestammten Platz verlassen. Sie machen einer Kunstinstallation am Boden Platz, die an ein vulkanisches Aschefeld erinnert. Verwandelt hat den Kirchenraum das Berliner Künstlerinnenduo "Peles Duo", die mit ihrer begehbaren Rauminstallation in Dialog mit der Liebeslyrik des alttestamentlichen Hoheliedes treten. Die Objekte, die den gesamten Kirchenboden bedecken, sind einem geöffneten Granatapfel nachempfunden, ein religiöses Symbol für Schmerz und Wunde, aber auch Leben, Liebe und Fruchtbarkeit.
Das Anliegen der beiden Künstlerinnen ist Liebe als Quelle der Resilienz. Was könnte passender sein in diesem Jahr, dessen Losung heißt "Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe". Verantwortlich für die Verwandlung der evangelischen Kirche in einen heiligen Ort der Kunst ist Pfarrer Hannes Langbein, der Kunstbeauftragte der EKBO (Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz). Er hat nicht nur diese Ausstellung kuratiert, sondern bereitet mit dem Kunstbeauftragten von katholischer Seite auch den "Ökumenischen Aschermittwoch der Künstlerinnen und Künstler", vor.
Der "Aschermittwoch der Künstlerinnen und Künstler" ist weltweit den kunstschaffend Kreativen gewidmet, und es gibt ihn seit dem Zweiten Weltkrieg, wo er in Paris ins Leben gerufen wurde. Natürlich von einem Künstler, dem Schriftsteller Paul Claudel. "Das hat mit der Thematik dieses Tages zu tun", erklärt Langbein. Der Aschermittwoch rufe zum Umdenken auf und das beschäftige Künstler:innen naturgemäß stark. "Sie fordern uns auf, die Welt anders zu sehen, als wir sie kennen. Es geht um den Ruf, umzukehren. Denkt noch mal neu und hinterfragt noch einmal, was ihr zu kennen glaubt", sagt der sympathische Pfarrer. Daneben stehe der Fokus auch auf der Vergänglichkeit von uns Menschen, ein Memento mori, in der Kunst eines der ganz starken Motive.
Die erfolgreichste Veranstaltung
In Berlin wird der "Aschermittwoch der Künstlerinnen und Künstler" als ökumenischer Gottesdienst seit über 40 Jahren gefeiert. Es ist eine der erfolgreichsten Veranstaltung, zu der sich in der Regel 300 bis 400 Menschen einfinden. Die beiden Bischöfe treffen in dem Gottesdienst auf Künstler:innen aus unterschiedlichen Genres. Nicht nur aus der Bildenden Kunst, auch Literaten und Filmschaffende und viele weitere kommen. Gemeinsam gedenken sie mit Fürbitten den verstorbenen Künstler:innen.
Erzbischof Heiner Koch predigt in diesem Jahr katholisch in der evangelischen Kirche. Die "Künstlerrede" hält im Anschluss der in Berlin lebende Schriftsteller, Philosoph und Theologe Senthuran Varatharajah. Es ist das Haupttreffen von Kunst und Kirche und deshalb bleibt nach dem Gottesdienst noch viel Zeit, um sich auszutauschen.
"Der Höhepunkt ist die Austeilung des Aschekreuzes" erzählt Langbein. "Auf der Stirn wird aus der Palmasche des letzten Osterfeuers ein Kreuz gezeichnet, sinnbildlich für den Gedanken: Bedenke Mensch, dass du Staub bist und zu Staub zurückkehrst", sagt Langbein. Dieser Moment eines jeden Einzelnen sei jedes Mal sehr berührend. Dass dies bei 400 Menschen wie eine lange Meditation wirken muss, ist gut vorstellbar. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Musik, meistens zeitgenössisch. Teilweise wird sie extra für den Gottesdienst geschrieben. An diesem Aschermittwoch wird eine interessante Mischung aus Elektronik , Orgel und Gesang zu hören sein.
Hannes Langbein hat nicht Kunstgeschichte studiert, sondern Theologie. Doch die Kunst lässt ihn nicht mehr los, und sein besonderes Klientel liegt ihm am Herzen. "Künstler:innen sind ein Stück weit einsamer als andere Menschen, weil sie an Dingen arbeiten, die so noch niemand gemacht hat" sagt Langbein. "Das sind starke Individuen, die sich in der Welt zurecht finden müssen." Das gelinge auch nicht allen, stellt der Pfarrer fest. "Es sind Suchende und Fragende und nicht immer gleich emphatisch Glaubende. Aber das ist genau das, was mich an dieser Arbeit interessiert." Hannes Langbein schätzt die traditionelle Liturgie, aber er liebt auch das künstlerische Unikat.
Am Aschermittwoch, dem 14. Februar 2024, um 18 Uhr laden Bischof Christian Stäblein und Erzbischof Heiner Koch und zum ökumenischen "Aschermittwoch der Künstlerinnen und Künstler" in die St. Matthäus-Kirche, Matthäikirchplatz, 10785 Berlin, ein.
Der Aschermittwoch der Künstler entstand nach dem zweiten Weltkrieg in Paris nach der Initiative des Schriftstellers Paul Claudel. Ursprünglich war es eine Veranstaltung der römisch-katholischen Kirche, der Künstler und ihrer Seelsorger. Inzwischen wird er in vielen Städten auf der Welt gehalten, zunehmend ökumenisch. Währen er in München meist katholisch ist, ist er in Hannover evangelisch und im weltoffenen Berlin erwartungsgemäß ökumenisch.