Robbie Williams sitzt im Schneidersitz auf dem Bett in seiner Villa in Los Angeles. Er drückt eine Taste seines Laptops und lässt Filmsequenzen aus seiner sagenhaften Karriere ablaufen. "Ich kann jetzt annehmen, was mein Leben ist, und ich stemme mich nicht dagegen. Ich bin auf dem besten Weg, wirklich glücklich zu sein", sagt er in der vierteiligen Netflix-Dokumentation "Robbie Williams" (2023). Am 13. Februar wird der britische Sänger, Songschreiber und Entertainer 50 Jahre alt.
Williams, der erfolgreichste britische Solokünstler aller Zeiten, scheint den Frieden mit sich selbst gefunden zu haben. Das war die meiste Zeit seines Lebens nicht so. Von null auf hundert wird der von Minderwertigkeitskomplexen und Versagensängsten geplagte Sohn einer Wirtsfamilie aus dem englischen Stoke-on-Trent in den Starhimmel katapultiert.
Mit gerade einmal 16 Jahren steigt Robbie Williams 1990 als Sänger und Tänzer bei der Boyband "Take That" ein, die mit Dancehits wie "Back for Good" bei Teenagern weltweit angesagt ist. Als Kind sei er ohne Vorwarnung in die Welt der Erwachsenen gestoßen worden, erzählt er 2022 dem Talkmaster Johannes B. Kerner. Williams spielt den Bandclown, nach außen hin stets gut gelaunt, aber innerlich kaputt.
1995 verlässt er seine Boygroup, auch weil er stets im Schatten des Leadsängers Gary Barlow steht. Er irrlichtert, betäubt seine Depressionen mit Rauschmitteln, gerät aus der Bahn. Gemeinsam mit seinem Co-Songwriter und Produzenten Guy Chambers arbeitet er an seiner ersten Solo-CD "Life thru a lens", die 1997 erscheint. Der Song "Angels" ändert Williams Leben, er wird ein Welthit und legt den Grundstein für eine immens erfolgreiche Solokarriere: Die Ballade, in der er davon singt, eben Engel lieben zu wollen, wenn irdische Liebe nicht möglich sei, trifft den Nerv von Millionen Gleichaltrigen.
Williams' Publikum verehrt ihn als authentisch, in seinen Ängsten, Schwächen und Träumen fühlen viele Fans sich ihm nahe. Der Sänger, der ohne Abschluss von der Schule ging, der eine Lese-Rechtschreibschwäche hat und mit seiner Vorliebe für Süßigkeiten immer wieder den Kampf gegen die Pfunde verliert, ist einer von ihnen. "Je selbstsicherer ich wirke, desto mehr Schiss habe ich gerade", sagte Williams in einem Interview. "Hinter all der Coolness steckt die pure Angst."
Um die Jahrtausendwende erreicht der Musiker seinen kreativen Höhepunkt, aus dem Boygroup-Sänger von einst ist ein Weltstar mit jungenhaftem Charme geworden. Er verkauft mehr als 85 Millionen Alben. Songs wie "Let me entertain You", "No regrets", "She's the one", "Rock DJ", "Millennium" oder "Come undone" bilden den poppig-rockigen Soundtrack dieser Zeit.
Mit dem Album "Swing when you’re winning" (2001) mit Coversongs aus der Swing-Ära zeigt er seine künstlerische Vielseitigkeit. In dem Song "Feel" (2002) gibt Williams, der im Rampenlicht aufblüht, die Sicht auf sein Inneres frei: "Komm und halte meine Hand, ich will mit den Lebenden in Berührung kommen."
Er kann auch Swing-Coversongs
2003 tritt an drei aufeinanderfolgenden Tagen vor jeweils 125.000 Zuschauern beim englischen Knebworth-Festival auf. Höher hinauf geht es nicht für den Entertainer, doch die heimische Klatschpresse schreibt ihn runter. Williams hat die Flucht nach Kalifornien angetreten, trennt sich von seinem musikalischen Partner Chambers, will allen beweisen, dass er es selbst kann.
Er arbeitet manisch an eigenen Songs, doch sein Album "Rudebox" (2006), auf dem er sich im Dance/Electro-Stil versucht, kommt bei Fans und Kritikern nicht an. Er bekommt Panikattacken, steuert in einen Nervenzusammenbruch. Drei Jahre lang verschwindet Williams 2007 von der Bühne, lässt sich wegen seiner zahlreichen Suchterkrankungen in einer Rehaklinik behandeln.
Gestärkt und selbstbewusst meldet er sich 2009 mit einem Comeback-Album zurück. Noch immer strömen die Besuchermassen zu seinen Konzerten, vor allem in Europa, auch wenn die ganz große Zeit vorbei ist. 2010 kommt es zu einer kurzen Wiedervereinigung mit "Take That".
Als Familienmensch mit seiner Frau, der US-Schauspielerin Ayda Field, und vier Kindern findet er schließlich inneren Halt, wie er beteuert. In seiner Showkarriere tritt er kürzer, seine Dämonen hält er offenbar im Zaum. "Gott sei Dank, es gibt ein Happy-End", sagt Robbie Williams in der Netflix-Dokumentation, "jedenfalls für mich."