Karneval, in anderen Gegenden auch Fasching oder Fastnacht genannt, soll die vierzigtägige Fastenzeit vor Ostern einleiten, die am Aschermittwoch beginnt. Bevor man deftigen Speisen und gehaltvollen Getränken entsagt, wird ordentlich gefeiert. Und wie der Rheinländer es mag, manchmal auch ein wenig sündig geschunkelt und gebützt.
Doch bevor losgefeiert wird, hier ein kurzer historischer Abstecher: Nicht immer war das Verhältnis von evangelischer Kirche und Karneval so harmonisch wie heute. Im Blog des Archivs der Evangelischen Kirche im Rheinland heißt es: "Bis in die 1970er Jahre hinein gab es immer wieder kirchenamtliche Verlautbarungen, die schwerste theologische und moralische Bedenken gegen das närrische Treiben geltend machten. In zahlreichen Flugschriften wurde mit geharnischten Worten gegen das 'Rosenmontagsmilieu' zu Felde gezogen und vor den schwerwiegenden Folgen fastnächtlicher Zügellosigkeit gewarnt – gelegentlich verbunden mit dem dezenten Hinweis, dass es sich beim Karneval um katholisches und damit letztlich heidnisches Brauchtum handele, mit dem man als guter Protestant nichts zu schaffen haben dürfe." Der Wandel begann in den 80er Jahren und nach und nach fanden Kirche und Karneval zueinander. Heute dürfen sich Christ:innen bunt kostümiert in das närrische Treiben stürzen.
Besondere Höhepunkte sind im Rheinland die Umzüge. Beispielhaft genannt die großen Rosenmontagszüge in Köln, Mainz und Düsseldorf. Fröhlich und bissig sind die Motive: In diesem Jahr gibt es gleich mehrere Wagen, die Bundeskanzler Olaf Scholz oder Wirtschaftsminister Habeck aufs Korn nehmen. In Mainz rollt Scholz als Kapitän des sinkenden Bundesschiffs vorbei, in Köln hängt er als als Faultier an einem Ast.
Katja Eifler volontierte nach ihrer Studienzeit im Lokalradio im Rhein-Kreis Neuss. Anschließend arbeitete sie als Radioredakteurin. Später als Redaktionsleiterin eines Wirtschaftsmagazins am Niederrhein. Heute ist sie freischaffende Journalistin, Online-Texterin, Coach und Moderatorin. Seit April 2023 ist sie als Redakteurin vom Dienst für evangelisch.de tätig.
In Mainz, so schreibt es der Evangelische Pressedienst, wird Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) als "Master of Desaster" veräppelt und Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU), den eine AfD-Walküre am Schlips zu sich ziehen will, soll als Mottowagen Lacher ernten. Schön bissig: Die Parteivorsitzenden Alice Weidel (AfD) und Sahra Wagenknecht (BSW) lassen ihre nackten Beine aus einem Wagen hängen, den der russische Präsident Wladimir Putin mit blutigen Händen steuert. "Die Barbies es nicht interessiert, dass ein Verbrecher sie chauffiert", reimt der Mainzer Kanevals-Verein "MCV".
Ohne Segen geht es nicht
Doch ohne die traditionelle Segnung rollt in vielen Städten kein Wagen los. Für die evangelische Kirche, so zeigt es ein Video, tat dies in Köln Pfarrer i.R. Ottmar Baumberger. Im Zug dabei sind Stadtsuperintendent Bernhard Seiger und Superintendent Torsten Krall. Sie sind Gäste der Karnevalsgesellschaft UHU, die in diesem Jahr 100 Jahre alt wird.
Einer der Wagen zeigt auch den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenski, der sich fragt "To be or NATO be". Finanzminister Christian Lindner (FDP) wird als Molières "Der Geizige" dargestellt, der in Gestalt eines Schweines über die Schuldenbremse wacht. Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki, berichtete der epd, wiederum wird mit verdeckten Augen bei der Studie von Missbrauchsfällen gezeigt und eine Figur mit Europa-Frontex-Zylinder und einer spitzen Nadel in der Hand empfängt unter dem Titel "Willkommen, Bienvenue, Welcome" Flüchtlinge in Schlauchbooten auf dem Mittelmeer. In Mainz startet der Zug um 11:11 Uhr durch das Stadtzentrum. Der 8,7 Kilometer lange Kölner Rosenmontagszug zieht ab 10 Uhr los, die Jecken in Düsseldorf können länger schlafen, hier geht es gegen 12:12 erst los.
Darüber hinaus feiern viele Gemeinden Karneval, sei es in Sitzungen oder mit speziellen Gottesdiensten, zum Beispiel in Köln auf Kölsch. Hier ein kleine Auswahl von besonderen Angeboten:
10.02.2024, 16:00
Queere Kirche Köln
Kartäuserkirche, Kartäusergasse 7a, 50678 Köln
Queer, Karneval und Kirche – drei Welten, die auf den ersten Blick wohl nicht zusammenpassen, die aber als die queere Karnevals-Party "Jeck as hell" sind. Alle sind willkommen. Kreative Verkleidungen sind erwünscht.
10.02.2024, 17:00
Evangelische Gemeinde Köln
Lutherkirche, Martin-Luther-Platz 4, 50677 Köln
Das Motto ist "Gegen Rechts und gegen die kölsche Tradition – Das 1. theologische Kölner Damen Dreigestirn setzt neue Maßstäbe". Die drei protestantischen Theologinnen der Gemeinde bespielen die "Karnevals Kanzel" in der Kölner Südstadt und versprechen, dass nicht nur gesungen, geschunkelt und gebetet wird, sondern "auch Geschichte geschrieben wird".
Antoniterkirche, Schildergasse 57, 50667 Köln
Pfarrer Markus Herzberg lädt zum traditionellen Fastelovends-Joddesdeens als "Mess op Kölsch" mit kölscher Musik, dieses Jahr unter dem Sessionsmotto "Wat e Theater – Wat e Jeckespill", ein. Alle sind willkommen, gerne auch im Kostüm. Der Karnevalsgottesdienst kann auch online im Livestream mitgefeiert werden.
13.02.2024, 19:10
Evangelische Philippus-Kirchengemeinde Köln-Raderthal
Im Karneval sammelt der ein oder die andere so manchen "Eintrag ins Sündenregister". Mit der feierlichen Sündenverbrennung lösen sich mit Unterstützung von Pfarrer Klaus Eberhard und Pfarrer Thomas Frings die Sünden auf dem Vorplatz des Benediktinerinnen Klosters, Brühler Straße 74 in Rauch auf. Danach wird im Café Baumhaus, Brühler Straße 26 weiter gefeiert. Sünden, die verbrannt werden sollen, können auf Flyern notiert werden und an eine der Pinnwände im Brauhaus am Kloster oder im Café Baumhaus ausgehängt werden.
Toleranzwagen zieht durch Düsseldorf
Stadtdechant Frank Heidkamp, Superintendent Heinrich Fucks, der ehemalige Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde, Michael Szentei-Heise, Beate Plenkers-Schneider, Geschäftsführerin des Katholischen Gemeindeverbandes, Ataman Yildirim vom muslimischen Karnevalsverein "Orient-Okzident Express" und Wagenbauer Jacques Tilly stellten bereits am 1. Februar im katholischen Maxhaus den neuen Toleranzwagen vor.
Ein orthodoxer Pope führt die Polonaise an, ihm folgen eine evangelische Pastorin, ein jüdischer Rabbiner, eine katholische Ordensschwester, ein muslimischer Iman und ein koptischer Erzpriester. Dieses doch eher ungewöhnliche Zusammentreffen der Religionsvertreter:innen ziert die Neuauflage des Toleranzwagens.
Als Initiator ist Michael Szentei-Heise zu nennen. Nach dem Luther-Wagen der Evangelischen Kirche (2017) und dem Heinrich Heine-Wagen der Jüdischen Gemeinde (2018) waren Religionsvertreter:innen sofort von der "jecken" Idee eines gemeinsamen Wagens von Katholiken, Protestanten, Juden und Muslimen begeistert.
Bildformel für die Dynamik im religiösen Dialog
Der Entwurf dazu stammt wieder aus der bewährten Feder von Jacques Tilly, der diesen mit seinem Team als Motto-Wagen umgesetzt hat. "Ich musste eine Bildformel finden, um alle unter einen Hut zu bringen. Die Polonaise bringt Bewegung ins Bild und sorgt dafür, das Dynamik rüberkommt", so Wagenbauer Tilly.
"Es ist uns wichtig, in diesen Zeiten ein Zeichen für Toleranz und Vielfalt zu setzen und noch wichtiger ist, dies gemeinsam zu tun", sagt Stadtdechant Frank Heidkamp gerade auch mit Blick auf die Ereignisse des 7. Oktobers. In Düsseldorf, so sagt er, funktioniere der interreligiöse Dialog, Hier streben die Verantwortlichen noch in diesem Jahr die Gründung eines "Rates der Religionen" an.
Religiösen Fanatikern nicht das Feld überlassen
Michael Szentei-Heise betont, der Toleranzwagen werde "nicht trotz, sondern wegen des 7. Oktobers und seinen Folgen" am Rosenmontag durch die Straßen fahren. Man wolle und dürfe islamistischen Fanatikern nicht das Feld überlassen. Die Jüdische Gemeinde werde sicherlich mit mehreren Mitgliedern auf dem Wagen vertreten sein.
Die Idee den Toleranzwagen nach der Premiere 2019 und einer weiteren Teilnahme 2020 jetzt wiederzubeleben, ist bereits im November 2022 entstanden. "Für 2023 waren wir seinerzeit zu spät dran und so wurde beschlossen, dass wir 2024 in jedem Fall fahren", so Michael Szentei-Heise.
26 Personen werden auf dem Wagen mitfahren. Zum ersten Mal mit an Bord sind Vertreter der Orthodoxen und der Koptischen Kirche. "Es ist schon ein besonderes Erlebnis, den Zug nicht vom Straßenrand zu bejubeln, sondern selbst oben zu stehen, in die vielen lachenden Gesichter zu schauen, Kamelle zu werfen und tausende Menschen mit unserem gemeinsamen Anliegen zu erreichen", sagt Pressesprecherin Christiane Otte vom Düsseldorfer Kirchenkreis. Fest steht aber schon, dass es diesen Toleranzwagen in etwas modifizierter Form auch 2025 geben wird. Superintendent Heinrich Fuchs ist sich sicher, dass dies nicht der letzte Toleranzwagen sein wird: "Was zum dritten Mal stattfindet, hat im Rheinland Tradition. Und Traditionen muss man pflegen."
Seit vielen Jahren beteiligt sich auch die Diakonie Düsseldorf mit einer Fußgruppe am Rosenmontagszug, sie werden auch in diesem Jahr dabei sein.
Psst...Karneval ganz leise in Bonn
Doch Karneval kann auch ganz leise, poetisch und mit viel Liebe, Glauben und Hoffnung gefeiert werden. In Bonn geschieht dies mit einem Chansongottesdienst am Karnevalssonntag in der Lutherkirche in der Bonner Südstadt. Mit dabei ist die Hamburger Musical-Sängerin Merle Claus unter dem Motto "Was dem Leben gut tut". Merle Claus ist gebürtige Bonnerin und war zuletzt ein Star der Musical-Aufführung "Alice im Wunderland" im Hamburger Thalia Theater. Mitsingen ist ausdrücklich erwünscht. "Es geht ums Träumen und Hören und was dem Leben Glück und Segen bringt", verspricht Pfarrer Joachim Gerhardt. Aber Achtung, zum Segen wird es rote Rosen regnen und die ein oder andere Kamelle umherfliegen. In Erinnerung an den Ursprung von Rosenmontag und im Geiste Martin Luthers, der die Rose zu seiner Wappenblume machte als "Blume der Engel".
Ebenso neugierig machen will der am Karnevalssonntag, 11. Februar um 10 Uhr stattfindende Karnevals-Gottesdienst für Familien in Trinitatis in Endenich (Brahmsstraße 14). Das Motto lautet "Richtungswechsel". Und das ist ernst gemeint: Pfarrer Niels Wey schreibt, dass er den Gottesdienst rückwärts feiern wird und mit Mundart. Wer mag, schaut im Anschluss den Veedelszöch an und feiert mit bei der anschließenden Familienparty im Gemeindehaus.