Auf dem Karnevalsorden wölbt sich ein Regenbogen über der Osnabrücker Stadtsilhouette. In der Mitte schmiegen sich zwei Herzen aneinander, das eine in deutschen, das andere in thailändischen Landesfarben. Darunter das Motto des ersten schwulen, binationalen Stadtprinzenpaares Yut I. und Thomas I.: "Kreuz und queer Kunterbunt".
Yut Punnuruk (66) und Thomas Wolf (54) wollen ihr hohes Amt auch nutzen, um für Diversität zu werben: "Wir möchten so, wie wir sind, als selbstverständlich akzeptiert werden. Der Karneval ist ja auch bunt und vielfältig", sagt Wolf.
In Osnabrück sind sie noch Exoten, bundesweit befindet sich das schwule Paar aber mittlerweile in einer größer werdenden Gesellschaft. Zwar hat der Bund Deutscher Karneval (BDK) keine Zahlen zu schwulen und ausländischen Repräsentanten in seinen Vereinen. Aber wer googelt, trifft auf einige homosexuelle und zugewanderte Karnevalsprinzen, unter anderem in den Hochburgen Düsseldorf und Köln. Aus Sicht des BDK völlig normal: Der Karneval sei "ein Spiegelbild der Gesellschaft", sagt Beatrix Brauner von der Geschäftsstelle.
Punnuruk und Wolf begeistert der Karneval schon seit Jahren. "Das ist einfach wunderschön, mit so vielen Menschen gemeinsam zu feiern. Das gibt es in meiner Heimat Thailand nicht", schwärmt Prinz Yut I.. Der gelernte Koch kam vor 32 Jahren aus Bangkok nach Deutschland. Zunächst lebte er in Bielefeld, seit 24 Jahren in Osnabrück. Der "Ossensamstag", der Straßenkarneval mit mehreren Zehntausend Schaulustigen, zog ihn direkt in seinen Bann. "Da habe ich von Anfang an mitgemacht."
2005 lernten der Thailänder und Thomas Wolf sich in einer Schwulenkneipe kennen und verliebten sich. Wolf, ehemaliger selbstständiger Blumenhändler und heute im Blumengroßhandel tätig, besuchte schon als Kind und Jugendlicher den Ossensamstag. "Ich habe immer gedacht, wie das wohl wäre, wenn man selbst auf einem der Wagen mitfahren dürfte."
Seit einigen Jahren leben die beiden Karnevalsbegeisterten gemeinsam in Wolfs Elternhaus - "in wilder Ehe", sagt Wolf und lacht. Breit grinsend präsentieren Yut I. und Thomas I. ihr Karnevalskostüm: eine weiße Prinzen-Jacke mit roten und goldenen Applikationen, rot-goldene, eigens in Thailand gekaufte traditionelle Hosen, die bis zum Knie reichen, weiße Strümpfe und - der Clou - goldene Schuhe. "Wir wollten eigentlich rote kaufen", erzählt Wolf und kann sein Lachen kaum unterdrücken: "Aber als ich diese sah, habe ich Yut überredet."
Begeisterung statt Anfeindung
Und wie kommen die beiden nun an beim Karnevalsvolk? "Die Menschen sind begeistert von unseren Kostümen", erzählt Punnuruk freudestrahlend. Das gilt wohl nicht nur für ihre Kostüme. "Aber man kann sich ja nicht selbst loben", meint Wolf augenzwinkernd. Der Präsident des Bürgerausschusses Osnabrücker Karneval, René Herring, kann das durchaus: "Die beiden sind ein tolles Prinzenpaar. Wo immer sie auftreten, werden sie positiv aufgenommen."
Angefeindet wurden sie noch nie, bestätigen beide. Weder von Karnevalisten noch sonst im Alltag. Dass sie als Stadtprinzenpaar vorgeschlagen wurden, habe sich irgendwie so ergeben, meint Wolf. Immerhin sind beide seit 2016 Mitglieder im 1. Dodesheider Karnevalsclub und dort 2018/19 bereits als Prinzenpaar aufgetreten.
Als Stadtprinzenpaar haben Wolf und Punnuruk den größten Teil der Karnevalssession bereits hinter sich. Seit dem 11.11. haben sie mehr als 30 Sitzungen städtischer und umliegender Karnevalsvereine besucht. In diesen Tagen nähern sie sich jedoch dem Höhepunkt mit Weiberfastnacht, Ossensamstag, Sturm auf das Rathaus, Rosenmontag und jeder Menge weiterer Karnevalssitzungen.
Ihre Reden nutzten sie stets, um ihre Botschaft zu vermitteln, sagt Wolf: "Wir möchten das als selbstverständlich hinstellen, dass wir ein schwules Paar sind, und vor allem den Eltern sagen: Nehmt eure Kinder so an, wie sie sind." Außerdem betonen sie stets, wie wichtig die Integration von Ausländern ist.
Fremdenhass ist Punnuruk noch nicht begegnet. "Ich habe noch keine Nazis getroffen. Ich habe auch keine Angst. Wir sind alle Menschen. Ich freue mich einfach, dass ich der erste ausländische Stadtprinz in Osnabrück bin."