Viele Menschen wüssten nicht, dass sie so antijüdische Ressentiments wiedergeben, erklärte Töllner bei einem Vortrag am Montagabend in Nürnberg.
Weitergetragen würden auch alte unkorrekte Auslegungen der Bibel, beispielsweise durch das Wort Pharisäer, stellte Töllner fest.
Auch der Duden schreibe das Klischee fort, dass es sich beim Pharisäer um eine "selbstgerechte männliche Person oder einen Heuchler" handle. Dabei gehe dies auf eine "polemische Bezeichnung" aus dem Neuen Testament zurück.
Ebenso ist es laut Töllner mit der Redewendung, eine Person habe sich "vom Saulus zum Paulus" gewendet, also vom Bösen zum Guten. "An dieser Geschichte stimmt so ungefähr gar nichts", sagte der Theologe, der an der Augustana-Hochschule in Neuendettelsau lehrt.
Sie bestehe "aus einer Anhäufung von Klischees und falschen Vorstellungen". Paulus habe sich als Jude und als Angehöriger des Volkes Israel verstanden. Er habe sich nicht als Christ bezeichnet, sei aber christlich beeinflusst.
Wenn Feindseligkeit und Hass so explodierten wie nach dem Überfall der Hamas vom 7. Oktober, hänge das auch damit zusammen, dass Nichtjüdinnen und Nichtjuden Vorurteile "schon lange vorher in sich herumtragen und antijüdische Ressentiments bereits vorher zu ihrem Wortschatz gehörten", erläuterte Töllner. Weil antijüdisches Denken und Reden die europäische Kultur so tief geprägt habe, "wäre es eher überraschend, wenn ein nichtjüdischer Mensch völlig frei davon wäre".
Wer es weiß, kann antijüdische Wörter vermeiden
Versatzstücke und Spurenelemente antijüdischen Denkens hätten sich über Erziehung, Sozialisation oder Bildung weitergegeben. Viele Worte - wie der Begriff mauscheln, der sich vom jüdischen Vornamen Moschel ableitet - würden gedankenlos und ohne böse Absicht genutzt, so der Referent, "aber wenn ich den Zusammenhang erfahre, kann ich es vermeiden". Die deutsche Sprache biete "genug Alternativen".
"Verletzend und ärgerlich" ist für Töllner auch, wenn Juden mit dem Wörtchen "ihr" ausgegrenzt würden. Mit der Frage, "wie macht ihr Juden das bei euch", gehe der Fragesteller nicht davon aus, "dass das jüdische Gegenüber genauso hierher gehört und hier verwurzelt ist wie er selbst". Andererseits plädiert der Beauftragte für den christlich-jüdischen Dialog dafür, das Wort Jude unbefangener zu verwenden, das durch seinen Missbrauch "geradezu verlernt" worden sei.