Am Valentinstag hat sich Thomas Wippenhohn für seine Frau Silke immer eine kleine Überraschung einfallen lassen; Frühstück ans Bett, Blumen oder einen Ausflug. Auch dieses Jahr möchte Silke Wippenhohn eine Rose auf ihren Frühstückstisch stellen, als Erinnerung an Thomas. Im September 2022 ist ihr Mann plötzlich mit 50 Jahren an den Folgen eines Herzinfarktes gestorben.
Während überall der Valentinstag mit Herzen und Rosen beworben wird, kann es für Verwitwete wie Silke Wippenhohn ein schwerer Tag werden. "Manchmal graut es mir vor solchen Tagen und manchmal freue ich mich sogar darauf", sagt die Troisdorferin und erklärt: "Ich habe gelernt, dass alles ok ist, was mir Thomas näherbringt und gut für mich ist."
Diese Sichtweise sei auch genau richtig, sagt Alice Werle, Trauergruppen-Leiterin bei der Münchener Nicolaidis YoungWings Stiftung, die sich speziell an junge Hinterbliebene bis 49 Jahren richtet. "Vor allem Todestage, Weihnachten oder Geburtstage das erste Mal alleine zu erleben, ist oft ein Thema", sagt sie. In den Gruppen würde besprochen, wie man diese Tage gestalten könne. Ob Betroffene zum Beispiel die Grabstelle besuchen oder den Tag lieber "unauffällig überstehen" wollten, sei ganz individuell.
Auch Alice Werle hat ihren Mann verloren, er starb 2020 bei einem Unfall in den Bergen. Sie kennt die Unberechenbarkeit von Trauer: "Sie kommt oft in alltäglichen Situationen, wenn ich zum Beispiel im Supermarkt die Lieblingsmusik meines Mannes höre." Die 52-Jährige machte schließlich selbst eine Ausbildung zur Familientrauerbegleiterin.
Geschätzt: 500.000 Witwen und Witwer unter 50
Über die Online-Angebote der Stiftung wurde auch Michaela Schäfer aus Bonn auf die Trauergruppen aufmerksam. Ihr Mann Kai starb im März vergangenen Jahres mit 45 Jahren plötzlich an einem Aortenaneurysma. "Ich hatte zeitnah den starken Wunsch, mich auszutauschen", sagt sie. Die örtlichen Trauergruppen hätten jedoch kaum ihre Lebensrealität widergespiegelt: "Die meisten Betroffenen waren über 75 Jahre alt und hatten ein langes Leben mit ihren Liebsten."
Junge Verwitwete seien mit ganz spezifischen Fragen konfrontiert, sagt Trauergruppenleiterin Alice Werle: "Das ganze Leben muss neu sortiert werden und wichtige Entscheidungen müssen plötzlich alleine getroffen werden, gerade wenn auch noch Kinder im Spiel sind." Nach Schätzungen der Nicolaidis YoungWings Stiftung gibt es deutschlandweit 500.000 Witwen und Witwer unter 50 Jahren. Das Statistische Bundesamt geht derzeit von 29.554 Todesfällen in der Altersspanne bis 50 Jahren im Jahr 2023 aus.
Im Todesfall können neben Bestattungsunternehmen, Ärzten oder Kirchengemeinden auch private Trauerbegleiter eine der ersten Anlaufstellen für Gespräche sein. "Dabei ist Trauerbegleiter keine geschützte Berufsbezeichnung", erklärt Marei Rascher-Held vom Bundesverband Trauerbegleitung. Auf der Homepage des Verbandes sind Qualitätsstandards für das Berufsfeld und Ansprechpartner aufgeführt. In einigen Fällen könne auch eine Psychotherapie zur Trauerbewältigung helfen. Vereine wie jungverwitwet.de, Gedankenschiff.de oder das Institut für Trauerarbeit sowie kirchliche Hilfsorganisationen wie die Caritas, die Johanniter oder der Malteser Hilfsdienst bieten ebenfalls Unterstützung.
Rascher-Held betreut unter anderem ein Trauer-Café in einer evangelischen Pfarrgemeinde in Karlsruhe. Für Angehörige hat die psychologische Beraterin einen wichtigen Tipp: "Die Hinterbliebenen fühlen sich oft verlassen von den Menschen, die sich nicht melden." Floskeln wie "Melde dich, wenn du etwas brauchst", bezeichnet sie als "trostlosen Trost", da Trauernde oft nicht die Kraft hätten, darauf einzugehen.
Das gelte auch für Jahrestage oder den Valentinstag, ergänzt Alice Werle: "Angehörige können nachfragen, wie die Person den Tag verbringen möchte. Wichtig sei das konkrete Angebot." Sensibilität sei auch am Arbeitsplatz gefragt. Einige Trauernden sähen im Job eine Ablenkung, andere wollten in ihrer Trauer wahrgenommen werden. Eine Frage nach den Freizeit-Plänen sei besser, als unbedacht ein "Schönes Wochenende" zu wünschen.
Gerade an Sonntagen freut sich auch Michaela Schäfer über spontanen Besuch. Die typischen Familientage seien schwierig, sagt sie. Über Weihnachten und Silvester sei sie deshalb in den Urlaub gefahren. Dem Valentinstag aber sieht sie relativ gelassen entgegen. "Da hilft, dass wir beide keine romantischen Typen waren." Den ersten Todestag ihres Mannes im März möchte sie groß begehen und gleichzeitig ihren 45. Geburtstag feiern, mit Freunden und Familie. Ein individueller Tag der Liebe, um an Kai zu erinnern.
Für Silke Wippenhohn haben die kleinen Aufmerksamkeiten ihres verstorbenen Mannes am 14. Februar dem Valentinstag eine neue Bedeutung gegeben. "Früher war es für mich nur ein kommerzieller Tag, der vom Handel erfunden worden ist", gibt sie zu. Jetzt nutzt sie den Tag gerne, um eine Kerze anzuzünden, in Erinnerung an 19 gemeinsame Jahre.
Stichwort: Valentinstag - Die Wurzeln des Valentinstags am 14. Februar reichen bis in die Antike. Die Römer feierten an diesem Tag ein Fest zu Ehren ihrer Göttin Juno, der Beschützerin von Ehe und Familie. Höhepunkt war eine "Liebeslotterie": Alle zum Fest eingeladenen Frauen mussten einen Zettel mit ihrem Namen in ein Körbchen legen. Später zogen dann junge Männer einen Zettel mit "ihrer Valentine". Für ein Jahr bestand dann zwischen beiden ein "scherzhaftes Liebesverhältnis", bei dem der Mann die Frau mit romantischen Briefen und kleinen Überraschungen verwöhnte.
Der Valentinstag erinnert auch an den früheren Bischof der nördlich von Rom gelegenen Stadt Terni. Der später heiliggesprochene Valentin soll auf Anweisung des römischen Kaisers Claudius II. (um 270) als Märtyrer hingerichtet worden sein, weil er seinem Glauben nicht abschwören wollte. An der nördlich von Rom verlaufenden Via Flaminia errichtete Papst Julius (337-352) eine Basilika mit dem Grab des Märtyrers.
Die Verehrung des Heiligen ist etwa ab dem Jahr 350 nachweisbar: Er galt als Patron der Bienenzüchter sowie der Verliebten und Brautleute. Als Fest der Jugend und der Liebenden wurde der Valentinstag seit dem späten 14. Jahrhundert zunächst in Frankreich und England begangen, breitete sich aber auch in andere europäische Länder und mit den Auswanderern nach Nordamerika aus. In Deutschland erklärten 1950 die Blumenhändler den Valentinstag zum "Tag der offenen Herzen".