evangelisch.de: Bei den Asienmeisterschaften der Nationalteams waren auch einige Fußballprofis aus deutschen Bundesliga-Vereinen und anderen europäischen Ligen beteiligt, ebenso beim Afrika-Cup (Finale 11.2.). Nicht selten tragen diese Spieler maßgeblich zu den Erfolgen ihrer Clubs bei - und sind dennoch im Fußballalltag etwa wegen ihrer Hautfarbe nicht sicher vor rassistischen Anfeindungen, ob von Fans, Anhängern gegnerischer Vereine im Stadion oder im Netz. Beleidigungen gab es schon immer, doch scheint die Zahl und Heftigkeit ungehemmter Attacken zuzunehmen. Wie erklären Sie sich als sportbegeisterter Kirchenvertreter und EKD-Sportbeauftragter dieses Phänomen im Fußball zwischen Bejubeln und Beleidigen, zwischen Hochlebenlassen und Hass und Hetze?
Präses Thorsten Latzel: Wir erleben zur Zeit in unserer gesamten Gesellschaft ein erstarkenden Rechtsextremismus mit Hass, Hetze und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Und zugleich stehen Millionen Menschen dagegen auf und gehen für eine offene Gesellschaft auf die Straße. Gott sei dank. Die christlichen Kirchen sind bei diesen Demonstrationen stark engagiert.
Beides - rechtsextremer Hass und demokratischer Aufstand - spiegeln sich auch im Sport und in den Fußballstadien. Hass und Hetze widersprechen zutiefst der Grundidee des Sports, einer Haltung von sportlicher Fairness, gegenseitigem Respekt und Teamgeist. Der DFB und die Vereine sind hier dankbarer Weise sehr klar positioniert. Dennoch gibt es leider Menschen, die das nicht begreifen, und politische Gruppen, die Hass und Hetze gezielt schüren.
Herr Latzel, Sie scheuen mit Blick auf den Sport keine klaren Worte – etwa als es um die WM in Katar und die dortige Menschenrechtslage oder um Kritik an dem Verbot der "One Love"-Binde für die DFB-Elf ging. Offizielle im Fußballgeschäft tadeln immer wieder Fan-Übergriffe; es gab Initiativen wie etwa vom FC Bayern mit Stars wie Leroy Sané und Thomas Müller, die alltägliche Hasskommentare gegen Fußballer aus dem Internet publik gemacht hatten. Sind das ausreichende Mittel, um dem Trend entgegenzuwirken?
Latzel: Gegen Hass und Hetze aufzustehen, darf nicht allein den Sportler:innen und Vereinen überlassen werden. Das muss bei der Fahrt ins Stadion, auf den Rängen, im Bierzelt danach geschehen. Hier geht es um Grundfragen von Menschlichkeit und Anstand. Da gibt es Null-Toleranz.
"Sie zerstören den Sport, spalten die Gesellschaft und verletzten Menschen."
Ich finde es unerträglich, wie sich Rechtsextreme hier anmaßen, Deutschland-Bestimmer zu sein und zu sagen, wer dazugehört und wer nicht. Sie zerstören den Sport, spalten die Gesellschaft und verletzten Menschen. Sich dagegen zu wehren, darf nicht den betroffenen Spieler:innen überlassen werden.
Auch junge Spieler werden schon zur Zielscheibe von rassistischen oder homophoben Angriffen, was in dem Alter besonders ungut ist. Wie kann man jüngere Altersgruppen bei dieser Problematik besser erreichen und auch schützen?
"Wir lassen uns nicht spalten."
Latzel: Wichtig für junge Spieler:innen in solchen Situationen ist, dass sie den geschlossen Rückhalt ihres Teams, ihres Vereins und ihrer Fans erfahren. Allgemein formuliert: Wer gegen dich ist, ist auch gegen uns. Wer gegen Menschen mit Migrationshintergrund ist, ist gegen alle Deutsche. Wer gegen Jüdinnen oder Muslime ist, ist auch gegen alle Christ:innen. Wer gegen queere Menschen ist, ist auch gegen alle Heteros. Wir lassen uns nicht spalten.
Welche Reaktionen und Initiativen darüber hinaus erwarten Sie von Verantwortlichen im deutschen und internationalen Fußballspitzensport – auf dem Spielfeld und jenseits davon?
Latzel: Ich erlebe die Vereine und Verbände hier klar positioniert. DFB-Präsident Bernd Neuendorf etwa bezieht immer wieder öffentlich sehr deutlich Stellung. Wir haben bei verschiedenen Anlässen zusammengewirkt und werden weiter gemeinsam gegen Hass und Hetze vorgehen. Ein anderes Beispiel ist etwa der frühere Präsident von Eintracht Frankfurt, Peter Fischer, mit seiner klaren Haltung zur AfD.
Wie steht es mit dem Amateurfußball? Was sollte man Ihrer Ansicht etwa in Kreisligen etc. tun oder anders machen?
Latzel: Auch hier gilt: Wir brauchen das Aufstehen der Anständigen. Worum es hier geht, ist ja nicht schwer zu begreifen - und gilt es allen Jungs und Mädels von der G-Jugend an zu vermitteln und vorzuleben: Menschlichkeit, Anstand, Respekt. Oder mit den Worten, die Marcel Reif jetzt im Bundestag gesprochen hat: "Sei ein Mensch."
Sport ist für mich eine gute Gabe Gottes, in der wir die Schönheit unseres Unterschiedlich-Seins erfahren können. Das wird in vielen Vereinen beispielhaft gelebt, in denen Menschen fair miteinander spielen - selbst wenn sie nicht die gleiche Sprache sprechen.